: Mieter, verzweifelt gesucht
Immer mehr Wohnungen in Berlin stehen leer, vor allem in den östlichen Plattenbaubezirken.Während die Vermieter kreativ werden, warnt der Mieterverein vor allzu viel Markt-Optimismus
von RICHARD ROTHER
Die Zeiten, in denen Wohnungsuchende als Bittsteller vor ihre potenziellen Vermieter traten, scheinen vorbei zu sein. Der Wohnungsleerstand stieg auch letztes Jahr weiter an. Von den rund 815.000 Wohnungen, die die Mitgliedsfirmen des Verbandes Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen (BBU) verwalten, waren im vergangenen Jahr 42.800 nicht vermietet. Das entspricht einer Quote von 5,5 Prozent. Dabei gab es große Unterschiede zwischen beiden Teilen der Stadt: In den östlichen Bezirken standen 8,6 Prozent der Wohnungen leer, in den westlichen waren es 2,3 Prozent.
Vom Leerstand besonders betroffen sind die östlichen Großsiedlungen Marzahn, Hohenschönhausen und Hellersdorf. Besser verdienende Familien zögen insbesondere aus diesen Siedlungen weg, kauften Wohnungen oder bauten sich Häuser im Grünen, sagte gestern BBU-Chef Wolfgang Burkhardt.
Die Wohnungsbaugesellschaft Marzahn hat im vergangenen Jahr zu ungewöhnlichen Maßnahmen gegriffen, um an die begehrten Mieter zu kommen. Die Internetseite www.wbg-marzahn.de ist unter anderem Wohnungssuchmaschine. Interessenten können Lage, Größe und Anzahl der Zimmer ihrer Traumwohnung eingeben. In Sekundenschnelle erscheinen die passenden Wohnungen auf dem Bildschirm. Darüber hinaus erfahren die Wohnungsuchenden Namen und Telefon der zuständigen Sachbearbeiter. Zudem können sie sich den Grundriss der Wohnung anschauen.
Der Leerstand in der Stadt sei mittlerweile ein ernstes Problem geworden, sagte gestern eine Sprecherin von Bausenator Peter Strieder (SPD). Zwar könnten sich Mieter über den entspannten Wohnungsmarkt freuen, für die Vermieter bedeute Leerstand aber Einnahmeverluste. „Am Ende fehlen die Mittel für notwendige Investitionen.“ Wünschenswert sei eine Leerstandsquote von 2 bis 3 Prozent.
Die Gründe für den Leerstand sind vielfältig: Unzählige Berliner haben ihrer Stadt den Rücken gekehrt und sind ins Umland gezogen; im Speckgürtel sind weit über 100.000 Wohnungen oder Eigenheime gebaut worden. Von einer Sogwirkung durch den Regierungsumzug ist darüber hinaus wenig zu spüren. Und solange die konjunkturelle Entwicklung Berlins weit hinter dem Bundesdurchschnitt zurückbleibt, werden kaum Arbeitsplätze entstehen, die Menschen aus anderen Regionen in die Hauptstadt locken könnten.
Von einer Entpannung auf dem Wohnungsmarkt könne dennoch keine Rede sein, sagte gestern der Geschäftsführer des Berliner Mietervereins, Hartmann Vetter. „Wer eine bezahlbare Wohnung sucht, die nicht negativ belastet ist, hat Schwierigkeiten, sie zu finden.“ Auch BBU-Chef Burkhardt sprach von „Verknappungen“, zu denen es in Teilsegmenten wie bei 4-Zimmer-Wohnungen „in guter Lage zu guten Mietpreisen“ kommen könne.
Für Vetter ist klar: In absehbarer Zeit wird sich die Situation auf dem Wohnungsmarkt wieder verändern. Deshalb sei unverständlich, dass der Senat die Förderung des sozialen Wohnungsbaus auf ein Minimum reduziert habe. Zurzeit würden nicht einmal 100 Wohnungen gefördert. Notwendig sei allerdings eine antizyklische Förderpolitik. Diese würde auch dazu beitragen, Arbeitsplätze in der Baubranche der Stadt zu sichern.
Für Bausenator Peter Strieder ist der soziale Wohnungsbau derzeit kein Thema. „Bei unseren knappen Haushaltsmitteln müssen wir Prioritäten setzen“, so eine Sprecherin. Der Vorrat an Wohnungen reiche noch für mindestens fünf bis sieben Jahre. Zudem würden immer noch neue Wohnungen gebaut – wenn auch nicht in unteren Kategorien.
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