: 48 Zeilen Floskeln
Lasst Sammelbände um uns sein. Zum Beispiel den von Thomas Kraft zur Literatur der 90er-Jahre
Haben wir das wirklich gebraucht: einen Sammelband über die Literatur der 90er-Jahre? Das haben wir. Weil es merkwürdig ist: Die deutsche Literatur boomt. Schreiben und Lesen macht Spaß. Man kann Entdeckungen machen, wo man nur hinguckt. Aber die Diskussion darüber ersäuft in Klischees. Dabei sind es doch nur Schlagwörter: Popliteratur, Fräuleinwunder und dergleichen. Wer über die gegenwärtige Literatur reden will und bei solchen Floskeln stehen bleibt, hat wirklich selbst Schuld. Lasst also ein, zwei, drei, viele Sammelbände um uns sein – damit man weiß, worüber man redet, wenn man über die neue deutsche Literatur redet.
Der von Thomas Kraft herausgegebene Band „aufgerissen – zur Literatur der 90er“ beispielsweise folgt einer klaren Spielregel: Ein Kritiker porträtiert einen Schriftsteller, dessen Debüt in die Neunzigerjahre fällt. So einfach ist das. Insgesamt dreizehn solcher Porträts enthält der Band; und wenn nun jemand kommt und sagt, heute wird doch nur Popscheiße geschrieben, kann man ihm den Band hinhalten und sagen: Lies mal Andrea Köhler über Judith Herrmann. Oder Michael Maar über Georg Klein. Oder Hans-Peter Kunisch über Thomas Meinecke. Oder Paul Ingendaay über Felicitas Hoppe. Oder einen der anderen Beiträge. Und während er das liest, kann man sich leise freuen über die schöne neue Unübersichtlichkeit in der deutschen Literatur. taz
Thomas Kraft (Hg.): „aufgerissen – zur Literatur der 90er“. Piper Verlag, München 2000, 198 Seiten, 36 DM
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