: Sand ins Getriebe der Profi-Armee?
Wie soll die Bundeswehr der Zukunft aussehen, fragen sich die Bündnisgrünen. Angelika Beer fordert eine Vollprofi-Armee. Antje Vollmer dagegen will die Wehrpflicht unbedingt beibehalten – um den Militarismus zu bremsen
von HEIDE OESTREICH
„Ich war nie eine Pazifistin“, sagt Angelika Beer. Schon als Kind hat sie geschossen, wenn auch nur auf Tontauben. Gesten, nach Redaktionsschluss, stellte die verteidigungspolitische Sprecherin der Grünen ihr Konzept für eine international einsetzbare Profi-Truppe der Fraktion vor.
Die Kontroverse darum startete schon am Montagabend, als Beer mit Antje Vollmer die Zukunft der Bundeswehr in der Böll-Stiftung in Berlin diskutierte. „Keine Interventionsarmee“ wollen die Grünen, aber in der Frage, wie diese zu vermeiden sei, trennen sich Tontaubenschießerinnen von Theologinnen. „Fakten“ und „Sachstände“ referierte Beer. Antje Vollmer sagte: „Da habe ich ein mulmiges Gefühl.“
Fakt ist nach Beer, dass sich die Bundeswehr schon allein durch die Integration in Nato und WEU zu Out-of-area-Einsätzen verpflichtet hat. Fakt sei auch, dass eine professionelle Truppe mit möglichst wenigen Wehrpflichtigen für solche Einsätze besser gerüstet sei als „die zusammengewürfelten Flickeneinheiten, die wir jetzt auf dem Balkan haben“.
Von innerer Führung könne in diesen Kontingenten keine ernsthafte Rede mehr sein, dazu brauche es feste Strukturen und zeitliche Kontinuität. Spricht die Praktikerin. Und: je schwächer die einsetzbare Einheit, desto schwächer der internationale Einfluss. Das Scheitern der grünen Präventionspolitik im Vorfeld des Kosovo-Krieges, als „Kinkel Rugova fast mit einem Fusstritt vor die Tür setzte“, nehmen beide als Ausgangspunkt.
Sie kommen zu unterschiedlichen Schlüssen: Laut Beer reicht es aus, wenn der Bundestag das viel zitierte Primat der Politik gewährleistet: Sie schlägt vor, dass über Einsätze statt mit einfacher Mehrheit künftig nur mit Zweidrittelmehrheit entschieden werden soll. Doch für Antje Vollmer ist schon die Entscheidung für eine Profi-Truppe das Politikum: „Wir strukturieren die Bundeswehr in einer Zeit um, in der international aufgerüstet wird. Plötzlich sind wir ,die Letzten‘, müssen uns beeilen. Es gibt eine Beschleunigung, in der über den Sinn dieser Einsätze nicht mehr nachgedacht wird.“
Die Grünen haben laut Vollmer die Aufgabe, diesen Prozess zu verlangsamen: Möglichst wenige Berufssoldaten will sie in der Bundeswehr sehen, um den Einfluss der Zivilgesellschaft zu sichern. Also sollte die Wehrpflicht beibehalten werden. Über Einsätze dürfe nicht die Stimmmungslage in der Nato entscheiden, sondern ein internationales Gericht. Das sollte die Stoßrichtung grüner Außenpolitik sein, nicht die Profilierung auf militärtechnischem Gebiet: „Ich bin für die Behinderung all dieser Reformprozesse. Alles, was uns einen Abstand dazu verschafft, durchbricht die militärische Logik.“
Wo beginnt das Primat der Politik? Die Diskussion ist eröffnet.
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