: Neun Kliniken in einem Bett
Die städtischen Krankenhäuser werden zu einer GmbH zusammengefasst, um wettbewerbsfähig zu werden. ÖTV und DAG, Grüne und PDS befürchten den schleichenden Rückzug des Staates
von DOROTHEE WINDEN
Neun städtische Kliniken sollen zum 1. Januar 2001 in einem Einheitsbetrieb zusammengefasst und in eine privatwirtschaftliche GmbH überführt werden. Formal handelt es sich hierbei um eine Privatisierung, Eigentümer bleibt aber zu 100 Prozent das Land Berlin. Von dem Klinikverbund erhofft sich Gesundheitssenatorin Gabriele Schöttler (SPD) Synergieeffekte, vor allem in den Bereichen Einkauf, Labor und Küche. Durch die Umstrukturierung sollen die kommunalen Kliniken, die zwischen 1997 und 1999 rund 227 Millionen Mark Verluste gemacht haben, wettbewerbsfähig werden. Die GmbH wird von einem mehrköpfigen Vorstand geführt und von einem Aufsichtsrat kontrolliert werden.
Die 16.000 Beschäftigten der Kliniken verlieren damit allerdings ihren Status als Beschäftigte des öffentlichen Dienstes. Ihnen soll der Wechsel zum neuen Arbeitgeber mit einer umfassenden Besitzstandswahrung schmackhaft gemacht werden. Schöttler versicherte, es werde keine Einbußen bei Mitbestimmungsrechten, Gehalt und Altersversorgung geben. Durch die GmbH neu eingestellte Mitarbeiter stehen allerdings im Regen. Sie müssen mit schlechteren Konditionen rechnen.
Bei den Gewerkschaften ÖTV und DAG stößt die Entscheidung daher auf scharfe Kritik. Sie hatten sich für die Umwandlung in eine Anstalt öffentlichen Rechts eingesetzt, weil dies einen Verbleib im öffentlichen Dienst ermöglicht hätte. „Die Anstalt des öffentlichen Rechts steht einer GmbH in Fragen der Wirtschaftlichkeit und Flexibilität in nichts nach“, heißt es in einer gemeinsamen Erklärung von ÖTV und DAG. Das GmbH-Modell hat das Institut für betriebswirtschafliche und arbeitsorientiere Beratung (BAB) empfohlen, das noch von Schöttlers Amtsvorgängerin Beate Hübner (CDU) beauftragt worden war.
Die Gewerkschaften befürchten, dass sich Berlin mittelfristig von Anteilen an dem Krankenhausbetrieb trennt. Gesundheitssenatorin Gabriele Schöttler (SPD) versicherte gestern, dass dies nicht geplant sei.
Die SPD-Fraktion stimmte dem GmbH-Modell am Dienstagabend zu, ohne dass es zu einer kontroversen Diskussion kam. Aus Sicht des SPD-Gesundheitsexperten Hans-Peter Seitz sprechen vor allem zwei Gründe für die GmbH: Sie lässt sich sehr schnell realisieren, und sie bietet „bessere Refinanzierungsmöglichkeiten auf dem Kapitalmarkt“. Ein weiterer Vorteil: Das Land kann den millionenschweren Schuldenberg auf die GmbH übertragen. Dadurch wird der Landeshaushalt entlastet. Da die Gesellschaft die Immobilien der Kliniken übernehmen wird, kann sie künftig am Kapitalmarkt Kredite aufnehmen. Die kommunalen Kliniken können künftig also zu den gleichen Bedingungen agieren wie private Krankenhäuser. „Die städtischen Kliniken sollen vom Gejagten zum Jäger werden“, so die Vision des SPD-Abgeordneten Seitz. Sie sollen sich im Wettbewerb behaupten können.
Ein konkretes Beispiel lieferte gestern Gesundheitsstaatssekretär Theo Schröder: Die kommunalen Kliniken haben in den letzten Jahren 2.000 von 12.000 Betten abgebaut, doch die Küchen- und Laborkapazitäten wurden nicht entsprechend reduziert. Es sei denkbar, dass diese Dienstleistungen künftig auch für andere Abnehmer erbracht würden, so Schröder.
Die PDS wertete die Entscheidung für das GmbH-Modell gestern als „Weichenstellung in die schleichende Privatisierung der städtischen Kliniken“. Der grüne Gesundheitsexperte Bernd Köppl bezeichnete die einheitliche Leitung für alle neun Kliniken als „Konstruktionsfehler“. Er befürchtete überdies, dass sich der Staat mit dem GmbH-Modell aus der sozialpolitischen Verantwortung stehle. Kostspielige Einrichtungen wie flächendeckende Erste-Hilfe-Stellen könnten „unter die Räder kommen.“ Der SPD-Abgeordnete Seitz hält diese Befürchtungen für gegenstandslos. Der Senat behalte über den Krankenhausplan genügend Einflussmöglichkeiten.
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