: Nebelkerzen gegen die Wehr-Spekulation
Scharping will die Truppe angeblich nur auf 280.000 Mann abspecken. Grüne: 200.000 reichen. PDS will noch weniger
BERLIN dpa/ap ■ Die Spekulationen um die Wehrreform haben einen neuen Höhepunkt erreicht: Verteidigungsminister Rudolf Scharping (SPD) will offenbar die Stärke der Bundeswehr von gegenwärtig 330.000 auf 280.000 Soldaten reduzieren.
Die Süddeutsche Zeitung berichtete gestern, der Minister trete damit für eine wesentlich zaghaftere Wehrreform ein als die Wehrstruktur-Kommission von Altbundespräsident Weizsäcker. Diese schlägt vor, die Bundeswehr auf 240.000 Mann abzuspecken. Auch Scharpings Vorstellungen von der Zukunft der Wehrpflicht unterscheiden sich angeblich deutlich von denen der Weizsäcker-Kommission: Während die Kommission statt derzeit 130.000 künftig nur noch 30.000 Wehrpflichtige einberufen würde, geht Scharping laut dem Bericht von 60.000 oder 70.000 Wehrpflichtigen aus. Die Wehrpflicht solle nach Plänen des Ministers nur noch sieben Monate plus acht zusätzliche Wochen Wehrübungen dauern.
Angeblich haben Spitzenvertreter der Grünen die Pläne des Verteidigungsministers bereits gebilligt, um einen Koalitionskrach zu verhindern.
Das Verteidigungsministerium wollte den SZ-Bericht nicht bestätigen. Informationen, wonach Scharping schon einen Tag vor der Weizsäcker-Kommission mit seinen Plänen an die Öffentlichkeit gehen will, dementierte Scharping gar persönlich. Er sagte, er wolle am 23. Mai noch kein eigenes Reform-Konzept vorlegen, sondern zunächst das Kabinett informieren. Über die Wehrreform werde aber „natürlich seit Monaten diskutiert“.
Die Grünen haben inzwischen gegen die Pläne der SPD protestiert. Ihre Eckwerte heißen: Schluss mit der Wehrpflicht, 200.000 Soldaten reichen. Die Fraktion hat diese Position mit einem offiziellen Beschluss zementiert. „Nicht dramatisch“, kommentierte der parlamentarische Geschäftsführer der SPD, Wilhelm Schmidt. Die Vorschläge des Koalitionspartners sind für ihn nur „ein Arbeitspapier“, das in die Gespräche einbezogen werde. Ein eigenes Konzept legte gestern auch die PDS-Fraktion vor: Sie fordert, die Bundeswehr radikal zu einer 100.000-Mann-Truppe zu schrumpfen und die Verteidigungsausgaben um zwei Drittel zu kürzen.
In einem Brief an die SPD-Abgeordneten im Bundestag hat Scharping unterdessen die katastrophale Ausstattung als größte Schwäche der Bundeswehr bezeichnet. Die Truppe sei „in diesem Zustand nicht mehr voll bündnisfähig“. GEIS
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