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Gütesiegel für Sozialstandards

Die Schreibwarenfirma Faber-Castell hat mit der IG Metall eine weltweit gültige „Sozialcharta“ ausgehandelt: Recht auf Gewerkschaftsmitgliedschaft, Mindestlohn und Gleichbehandlung für Faber-Beschäftigte in allen Ländern

von BERND SIEGLER

Mit 1,8 Milliarden holzgefasster Blei- und Farbstifte im Jahr ist der Schreib- und Zeichengerätehersteller Faber-Castell die Nummer eins in der Welt. Jetzt will das in Stein bei Nürnberg ansässige Familienunternehmen mit einem Bruttoumsatz von 555 Millionen Mark im Jahr und weltweit 5.500 Beschäftigten auch zum Marktführer für die internationale Festschreibung von Arbeitnehmerrechten werden. Eine Sozialcharta ist bereits unterzeichnet, ein entsprechendes Gütesiegel soll folgen.

Zusammen mit der ehemaligen Gewerkschaft Holz und Kunststoff, die seit Jahresbeginn in die IG Metall integriert ist, hat das Unternehmen für seine Fertigungsstätten und Vertriebsgesellschaften in 17 Ländern, unter anderem in Brasilien, Peru, Indien und Malaysia, Mindeststandards für Arbeitsbedingungen ausgearbeitet. IG-Metall-Chef Klaus Zwickel und der geschäftsführende Gsellschafter der Unternehmensgruppe, Anton Wolfgang Graf von Faber-Castell, unterzeichneten schließlich eine „Sozialcharta“, die laut Firmensprecher Peter Schafhauser „mit zu den ersten international gültigen Vereinbarungen ihrer Art“ gehört. In der Holz- und Baubranche haben bislang nur die Firmen Ikea und Hochtief entsprechende Abkommen unterzeichnet.

Faber-Castell verpflichtet sich damit, auf Kinderarbeit zu verzichten, und sichert den Beschäftigten das Recht auf Gewerkschaftsmitgliedschaft, auf Abschluss vonTarifverträgen, auf Chancengleichheit und Gleichbehandlung „ungeachtet der Rasse, der Religion, des Geschlechts und der Nationalität“ sowie auf gesetzliche Mindest- oder tarifliche Bezahlung und die Gewährleistung sicherer Arbeitsbedingungen zu.

Der in dem Familienschloss bei Nürnberg residierende Anton Wolfgang Graf von Faber-Castell hält eine derartige Charta für „völlig richtig und beinahe selbstverständlich“. Für ihn gehört sie zur Tradition des Hauses. So hatte das Unternehmen, das sich seit der Gründung 1761 in Familienhand befindet, in der Vergangenheit bereits eine Fülle von sozialen Einrichtungen ins Leben gerufen. Die Grafen schufen eine der ersten Betriebskrankenkassen in Deutschland, sie finanzierten Schulen, Kindergärten, Werkswohnungen sowie Museen. Heute betreibt die Firma beispielsweise in Brasilien, wo 3.000 Mitarbeiter in der weltweit größten Buntstift-Produktionsstätte arbeiten, eine Alphabetisierungs- und Weiterbildungskampagne sowie Sport- und Freizeitprogramme.

Im Hause Faber-Castell freut man sich über die „Vorbildfunktion“, die man nun mit Verpflichtungskatalog für andere mittelständische Unternehmen eingenommen habe. „Die Sozialcharta ist kein PR-Gag, sondern bereits jetzt gelebte Realität“, betont Firmensprecher Schafhauser. Derzeit werde darüber nachgedacht, wie man die Vereinbarung auch auf die wenigen Zulieferfirmen von Faber-Castell ausdehnen könne.

Für Wolfgang Rhode vom IG-Metall-Vorstand geht der Stellenwert der Charta durch die Unterzeichnung von Arbeitgeberseite und Gewerkschaften über den Stellenwert von unternehmerischen Selbstverpflichtungen hinaus. „Eine solche Charta steht und fällt mit der Verifizierung“, betont Rhode. Deswegen wurde bei Faber-Castell ein Ausschuss aus Vertretern des Betriebs und der Gewerkschaft sowie dem Betriebsrat gebildet, der die Einhaltung des Verhaltenskodex überwacht.

In Gesprächen über weiterführende Maßnahmen wurde die Idee der Einführung eines entsprechenden Gütesiegels geboren. Dann könnten Unternehmen mit ihrer Vorreiterrolle auf dem sozialen Gebiet auch entsprechend nach außen auftreten. Konkret ist hierbei noch nichts, man befinde sich „noch im Stadium des Nachdenkens“, betont Rhode.

Um außerdem den immensen Holzbedarf für das Werk in Brasilien zu sichern, hat man ein Wie#deraufforstungsprojekt ins Leben gerufen.

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