Der Verlierer hat das Sagen

Nach der Präsidentschaftswahl in der Dominikanischen Republik handeln die Kandidaten untereinander aus, wer nächstes Staatsoberhaupt wird

SAN SALVADOR taz ■ Ein Wahlsieg reicht in der Dominikanischen Republik nicht aus, um Präsident zu werden. Man braucht zudem den Segen von Joaquín Balaguer. Die Mehrheit der knapp acht Millionen Dominikaner ist davon überzeugt, dass der 94-jährige siebenmalige Präsident übernatürliche Kräfte besitzt. Politiker wissen, dass sie ohne den blinden Caudillo der konservativen „Christlich-sozialen Reformpartei“ (PRSC) nichts werden können.

Balaguer ist zwar nicht mehr stark genug, um selbst Präsident zu werden. Bei der Wahl vom vergangenen Dienstag landete er mit 24,61 Prozent der Stimmen auf Platz drei. Am Donnerstag aber hat er trotzdem den Präsidenten bestimmt. Er erklärte Hipolito Mejía von der sozialdemokratischen „Dominikanischen Revolutionären Partei“ (PRD) zum Wahlsieger, obwohl der die dafür erforderliche absolute Mehrheit der Stimmen aller Voraussicht nach knapp verfehlt hat.

Ein offizielles Endergebnis lag am Donnerstagabend noch nicht vor. Aber 99,84 Prozent der Stimmen waren ausgezählt, und Mejía lag bei 49,86 Prozent. Er müsste demnach alle noch ungezählten Stimmen gewonnen haben, um ganz knapp über die 50-Prozent-Marke zu kommen. An sich wäre also am 30. Juni eine Stichwahl gegen den Zweitplatzierten fällig. Das wäre mit 24,95 Prozent der liberale Danilo Medina von der regierenden „Partei der Dominikanischen Befreiung“ (PLD) gewesen. Der aber verzichtete.

Eigentlich hat sich nicht Medina bewegt, sondern Balaguer. Bei der Wahl von 1996, als PRD-Kandiat Francisco Peña Gómez den ersten Durchgang mit 47 Prozent der Stimmen gewonnen hatte, unterstützte Balaguer in der Stichwahl den PLD-Kandidaten Leonel Fernández und machte ihn damit knapp zum Präsidenten. Auch Medina hatte mit seiner Hilfe gerechnet – vergeblich.

Peña Gómez konnte Balaguer unmöglich unterstützen. Denn der hatte nicht nur genauso viel Charisma wie er. Peña Gómez war zudem schwarz und haitianischer Herkunft. Balaguer aber ist ein Rassist. Alles, was schwarz ist und aus Haiti kommt, ist ihm ein Gräuel. Er hatte schon als Minister und Vizepräsident unter dem Diktator Leonidas Trujillo (1930 bis 1961) gedient, und der hatte unter den haitianischen Wanderarbeitern, die von der armen Hälfte der Karibik-Insel Hispaniola herüber in die reiche Dominikanische Republik gekommen waren, ein Blutbad angerichtet.

Peña Gómez starb 1998. Sein Nachfolger Mejía ist weiß. Und er ist auch längst kein Sozialist mehr, sondern ein blairscher Sozialdemokrat, der zudem versprochen hat, er werde den neoliberalen Wirtschaftskurs des derzeitigen Präsidenten Fernández fortsetzen. Allerdings werde er dem stabilen Wachstum von durchschnittlich sieben Prozent „ein menschliches Antlitz“ verpassen. Denn das Wirtschaftswunder von Fernández beschränkte sich fast ausschließlich auf die Tourismus-Enklaven und Freihandelszonen des Landes. TONI KEPPELER