Wahnwitzige Wahrnehmung der Realität

■ „What are you afraid of“ feierte am Wochenende in einem BMW X5 Premiere

Wovor sollte der Zuschauer eigentlich mehr Angst haben, wenn er sich in dieses Auto setzt: Vor der bedrohlichen Nähe zu den Schauspielern oder davor, dass einer der beiden, während er agiert, den BMW X5 auch noch durch Hamburgs belebte Straßen steuert? Denn für das Stück „What are you afraid of“ von Richard Dresser, das am Wochenende gerade nicht am Schauspielhaus Premiere hatte, wählte der Regisseur Stefan Pucher den authentischsten Spielort: das Innere eines Wagens.

Aufgrund der limitierten Platzzahlen besteht das Publikum aus nur drei Personen. Wenn sich der Roadster mit dem Fahrer (im Wechsel Bernd Moss oder Bjarne Mädel) auf den Weg durch die Hansestadt macht, passiert erst einmal nichts. Bis irgendwann die Samples und Soundcollagen des Regisseurs die Gedanken des Lenkers zum Ausdruck bringen: „Was ist das für eine beschissene Gegend hier“, dringt aus den Lautsprechern, während der BMW langsam die Süderstraße entlangrollt, „allein im Auto.“

Doch plötzlich erscheint eine Frau (Sarah Masuch oder Ursula Doll) und steigt zu. Innerhalb kürzester Zeit kommen die beiden überein, auf einem abgelegenen Parkplatz zu kopulieren. Die Zuschauer sehen mit Schrecken oder amüsiert in 50 Zentimeter Abstand einen kurzen Moment der Lust. Doch sofort verwandelt sich der Wagen in die Vision der Zukunft: Das Paar sitzt, inzwischen verheiratet, vorne und keift die Kinder auf dem Rücksitz an. Fast erleichtert nimmt man zur Kenntnis, dass die Frau bei einem Schnellimbiss ausssteigt.

Ein einfaches Stück, das durch seine Kulisse wahnwitzig wird. Auf der Fahrt duch die Stadt verwischen die Konturen. Ob Passant oder Statist lässt sich meist nicht klären. Gehört der telefonierende Jogginganzug auf der Tankstelle zum Ensemble? Sind die vier Motorradschrauber echt? Dieses Spiel mit den Realitäten ist das eigentlich Spannende an diesem Stück, das eher die Wahrnehmung der Außenwelt verstärkt als auf sich selbst konzentriert ist. else

In den kommenden Wochen wird das Stück noch rund 70 Mal aufgeführt. Anmeldung unter 25 32 88 42