Mit Faulheit gegen die Union

Die Liste der renitenten EU-Staaten wird wieder länger: Unangenehme Richtlinien werden nicht umgesetzt

BRÜSSEL taz ■ Die schwarzen Schafe der EU sind wieder da. Zwei Jahre lang hatte sich die von der EU-Kommission geführte Liste verkürzt, mit dem neuen Jahrtausend ist auch der Schlendrian zurückgekehrt. Das geht aus der jüngsten Fortschreibung des „schwarzen Bretts Binnenmarkt“ hervor, das die EU-Kommission gestern in Brüssel veröffentlicht hat. 13 Prozent der Richtlinien, mit denen die EU den europäischen Binnenmarkt verwirklichen will, sind noch nicht von allen Mitgliedsstaaten in nationales Recht umgesetzt worden – vor einem Jahr waren es 12,8 Prozent.

Der Unterschied mag nicht groß sein. Binnenmarkt-Kommissar Frits Bolkenstein macht seine neue Liste trotzdem Sorgen: Hatten sich die Verhältnisse bisher kontinuierlich angenähert, driften die Mitgliedsstaaten jetzt langsam wieder auseinander. Angeführt wird die Liste der schwarzen Schafe von Griechen, Portugiesen und Franzosen, die mehr als fünf Prozent der 1.489 Binnenmarktrichtlinien noch nicht in nationales Recht umgesetzt haben. Die besonders eurokritischen Dänen und Briten rangieren eher über dem Durchschnitt und deutlich besser als die Deutschen, die 3,4 Prozent im Rückstand sind. Die deutsche Umsetzungsbilanz ist damit im Vergleich zum Vorjahr (2,4 Prozent) spürbar schlechter geworden.

Besonders schwer tun sich die Europäer mit den 211 Richtlinien über die Gesundheit der Tiere, aber auch bei den Richtlinien für den Verkehrssektor und die Fahrzeugindustrie. Strategien, unangenehmen Verpflichtungen zu entgehen, kennen die Regierungen viele. Besonders renitente Staaten kann die EU zwar vor den Europäischen Gerichtshof bringen, aber bevor es zur Urteilsfällung kommt, vergehen Jahre.

Ein Problem stellt nach Ansicht der Kommission die Umsetzung der Informationsrichtlinien für die modernen Wirtschaftszweige wie E-Commerce und Telekommunikation dar. Wegweisend an diesen Technologien ist, dass sie dezentral funktionieren und der europäischen Wirtschaft einen flächendeckenden Wachstumsschub versetzen könnten. Gelten jedoch unterschiedliche Regeln in den einzelnen Mitgliedsstaaten, wird dieses Wachstum nicht nur unterschiedlich, sondern auch insgesamt geringer ausfallen. Dass von den fünf Richtlinien für die Informationsgesellschaft bislang keine einzige vollständig umgesetzt sei, hält die Kommission deswegen für ein besonderes Problem, zumal neue Vorschriften auf diesem Gebiet vorbereitet werden.

DANIELA WEINGÄRTNER