piwik no script img

Anti-Mobbing-AG ohne Westerwelle

Das FDP-Präsidium stellt sich hinter Gerhardt und wirft Jürgen Möllemann „Torheit“ vor. Nur Guido Westerwelle hält sich fein zurück

BERLIN taz ■ „Koalitionsgequatsche zur Unzeit schadet“, wetterte der baden-würtembergische FDP-Vorsitzende Walter Döring gestern vor Journalisten in Berlin. Das habe er seinem nordrhein-westfälischem Kollegen Jürgen Möllemann auch in der Präsidiumssitzung so gesagt. Der sei in der Gefahr, seinen Wahlerfolg in NRW „durch eigene Torheit zu unterlaufen.“

Auch der rheinland-pfälzische Vorsitzende Rainer Brüderle kritisierte Möllemanns Vorstöße in Richtung auf eine rot-gelbe Koalition im Bund und seine Attacken gegen den amtierenden Vorsitzenden Wolfgang Gerhardt: „Es ist nicht hilfreich, uns jetzt schon auf eine Koalition im Bund festzulegen.“ Die FDP müsse nach allen Richtungen offen bleiben. Er könne sich auch vorstellen, dass sie „ohne Koalitionsaussage“ in die Bundestagswahl gehe. „Möglicherweise“ werde die Partei in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz vor den Landtagswahlen im kommenden März unterschiedliche Koalitionsaussagen machen. Auf die Journalistenfrage, wie er zu Gerhardt stehe, sagte Brüderle: „Wir müssen ihn nicht stündlich küssen, es reicht, wenn wir das täglich machen.“

Gerhardt selbst bekräftigte am Montag seinen Führungsanspruch: „Sie werden es noch in vielen Pressekonferenzen mit mir zu tun haben.“ Rücktrittsforderungen gegen ihn kämen immer „von denselben Stichwortgebern.“ Er habe eine „positive Lebenseinstellung“ und lasse sich davon nicht verunsichern. Die FDP dürfe ihre „neu gewonnene Kraft“ nun nicht in Personaldiskussionen und „Koalitionsspekulationen stecken.“ Er wehre sich jedoch gegen eine Arbeitsteilung nach dem Motto „Der Spitzenkandidat ist alleiniger Sieger bei gewonnen Wahlen, und für die verlorenen ist der Bundesvorsitzende zuständig“. Gerhardt hatte zuvor in einem Zeitungsinterview gesagt, gegen ihn liefen „Mobbing-Versuche“. Damit meinte er Möllemann, der am Wochenende angekündigt hatte, er werde möglicherweise in die Bundespolitik zurückkehren. Gerhardt solle auf den Posten des Parteivorsitzenden oder den des Fraktionsvorsitzenden verzichten. Möllemann habe ihm im Präsidium versichert, dass er selbst weder Partei- noch Fraktionschef werden wolle, sagte Gerhardt am Montag. Er habe mit ihm „ein persönliches Gespräch“ vereinbart, um mögliche Meinungsunterschiede auszuräumen. Tatsächlich hatte sich Möllemann in den vergangenen Tagen nicht selbst als möglichen Vorsitzenden ins Gespräch gebracht. Er weiß, dass er zurzeit in seiner Partei nicht vermittelbar ist, und setzt deshalb auf Guido Westerwelle. Der Generalsekretär verzichtete gestern auf Solidaritätsbekundungen mit Gerhardt. In den vergangenen Tagen hatte er sich wie Möllemann für Rot-Gelb stark gemacht. Er bezeichnete eine mögliche gemeinsame Regierung mit der SPD in Düsseldorf als „Bewährungsprobe für die Bundesebene“. Die Koalitionsaussagen zu Gunsten der CDU im vergangenen Jahr hätten der FDP „desaströse Wahlergebnisse“ eingebracht. TINA STADLMAYER

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen