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Und alle werden gesund

■ Das „Netzwerk Seelische Gesundheit“ im Rausch der Expo

Ein Expo-Projekt, das nicht auf Glitzer und Glamour Wert legt, ist das Bremer Netzwerk Seelische Gesundheit. Die taz sprach mit Netzwerk-Sprecher Dr. Helmut Hafner. Im Hauptberuf arbeitet er als Medienreferent für Bürgermeister Henning Scherf (SPD) im Rathaus.

taz: Warum brauchen wir ein Netzwerk für seelische Gesundheit? Sind wir alle krank?

Dr. Helmut Hafner, Netzwerk-Vorstand: Wir sind nicht krank. Aber jeder Mensch hat seine Höhen und Tiefen. Das hat nichts mit Krankheit zu tun. Doch dieses Netzwerk will möglichst vielen Menschen die Chance bieten, ein gelingendes Leben hinzubekommen.

Und warum gerade in Bremen, dem positiven Lebensumfeld der Großen Koalition?

Jede Stadt braucht so eine Initiative, die nicht nur auf das Elend starrt und der Not der Finanzen relativ hilflos gegenübersteht – sondern eine Initiative, die aktive Einrichtungen, Gruppen und Einzelpersonen sucht, die schon konkret helfen und arbeiten.

Welches Elend meinen Sie?

Eines der Probleme in unserer Stadt steht unter der Überschrift Migration. Mit Sicherheit haben Jugendliche, die aus der Türkei zu uns gekommen sind, andere und schwierigere Identitätsprobleme als wir. Die Betriebe Klöckner und Stahlwerke sind zum Beispiel Mitglieder bei uns – viele dieser arbeitenden Menschen sind viel schneller seelisch belastet als andere und fragen uns natürlich, wie man das besser hinkriegen kann.

Also geht es um spezielle Problemgruppen?

Nein, es ist breitgefächert. Es geht um alle, die in dieser Stadt etwas für seelische Gesundheit tun: Das kann ein Kirchenchor sein, eine Theatergruppe oder der Migrantinnenrat – oder als konkretes Beispiel der Sportgarten. Er bringt Menschen aus ganz vielen Kulturen zusammen, baut Fremdheiten ab. Das stärkt die einzelne Person und damit ihre seelische Kraft in dieser doch nicht so leichten Gesellschaft zurechtzukommen.

Also ist das Netzwerk eine Art Zusammenschluss verschiedener Gruppen?

Ja, aber es ist auch eine Einladung an zivilgesellschaftliches Engagement. Ich denke, es ist fast eine revolutionäre Bewegung. Wir wollen die Gesellschaft ein Stück weit reformieren und gucken: Wo werden denn Menschen krank gemacht.

Aber die hohe Arbeitslosigkeit können Sie damit nicht abbauen.

Nein, aber wir können Menschen, die von Arbeitslosigkeit bedroht sind, vielleicht die Chance geben, nicht im Alkohol eine Lösung zu suchen sondern aktiv zu schauen, was es nicht noch für andere Lösungsmöglichkeiten gibt. Und das Problem sind nicht nur Drogen – sondern es ist auch die Einsamkeit. Und da kann man einfach etwas unternehmen.

Zum Beispiel?

Zum Beispiel die Tafel, die Bedürftigen hilft. Das sind natürlich nur Tropfen auf den heißen Stein, aber es ist ein spannendes Projekt.

Solche Initiativen bestehen aber längst schon. Was ist denn das Neue am Projekt?

Das Neue ist die Idee. Seelische Gesundheit ist ja ein provozierendes Wort. Denn wenn man sich Gesundheit wünscht, denken ja alle nur an den Körper. Aber für uns kommt es ganz entscheidend darauf an, seelische Kraft zu entwickeln – gerade in einer Zeit, die sich so beschleunigt entwickelt und wo soviel Orientierung verloren geht. Denn das Vertrauen in die Politik ist gesunken. Viele ziehen sich zurück, weil das Wort Zukunft für sie keine Hoffnung mehr ist sondern eher eine Art von Bedrohung – und dem versuchen wir, etwas entgegenzusetzen.

Was ist Ihr langfristiger Traum?

Dass das aktive Bürgerengagement von unten die Schwäche der Politik ausgleicht – und wir viele Menschen gewinnen, die politisch Einfluss bekommen und dann von unten Druck machen auf die Politik, doch in die Gänge zu kommen und sich nicht nur vom Finanzdiktat diktieren zu lassen.

Aber Sie selbst arbeiten im Rathaus mit. Ist das kein Widerspruch?

Unser Bürgermeister ist sogar Schirmherr dieser Aktion. Er setzt sich sehr stark für das Netzwerk ein. Aber durch die Finanznot ist die Politik im Moment etwas überfordert. Insofern kann das Netzwerk eine Alternative dazu sein.

Wirklich kein Widerspruch?

Sehen Sie mal Jugendsenatorin Hilde Adolf (SPD) an, die unser Projekt auch unterstützt. Wenn sie auf der einen Seite Jugendarbeit finanziell einschränken muss, dann heißt das doch gleichzeitig nicht, dass sie nicht auch noch Ideen, Wünsche und Hoffnungen hat, doch noch das Beste zu machen. Dieser Widerspruch ist da. Aber das Leben ist leider so widersprüchlich. Das Wichtigste dabei ist nur, dass wir ein Stück Wahrheit finden – und nicht vernebeln. Die Politik ist nämlich gerade ein Stück weit in Gefahr, vieles schönzureden, weil Politiker ja wiedergewählt werden wollen.

Fragen: Katja Ubben

Wer Kontakt finden will zum Netzwerk wählt Tel.: 366 73 66.

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