: Im Rhythmus der Couch
Stefan Betke alias Pole schließt seine Urban-Dub-Trilogie in Kindermalkasten-Gelb ab. Nun grübelt der Minimal-Technokrat, wie es weiter geht – vielleicht ja mit Großmutters Gebiss als Soundeffekt
von ANDREAS HARTMANN
Anlässlich der neuen Platte von Pole hat dessen Plattenfirma ein schmuckes Journalisten-Only-Paket herausgebracht. Außen in monochromes Schwarz gefasst, enthält die Drei-CD-Box nochmals die komplette, von eins bis drei durchnummerierte Pole-Trilogie. Die blaue Platte, die rote und die aktuelle in kreischendem Kindermalkasten-Gelb.
Mischt man Blau, Rot und Gelb, die drei Grundfarben, erhält man schwarz; deshalb fasst das Promo-Gimmick nicht nur die bisherige Arbeit von Pole zusammen, sondern denkt sie auch konsequent zu Ende. Stefan Betke aka Pole dazu: „Die nummerierte Serie, die Farbgebung und das ganze Cover-Artwork geht nun zu Ende. Nun gibt es einen wirklichen Cut. Die drei Grundfarben ergeben aber ja nicht nur Schwarz, sondern mit ihnen lassen sich alle Farben erzeugen. Ich kann jetzt wieder wie ein Kind in Farben wühlen und die Scheibe frisch bemalen. Und so spiele ich derzeit mit allen möglichen Sachen herum. Ich bin ja nicht der Freund von ganz großen Sprüngen. Ich werde also nicht plötzlich Punkrock oder so etwas machen. Meine nächste musikalische Entwicklung kann nur innerhalb meiner Möglichkeiten angelegt sein.“ Also ist es nun erst mal offen, ob es mit dem extrem zur Trademark geronnenen, typischen Pole-Knister-Knack-Techno weiter gehen wird, der mit seinen weitflächig angelegten Hall-Effekten als einer der ungewöhnlichsten Versuche anzusehen ist, Dub unter elektronischen Vorzeichen modernistisch zu radikalisieren.
Den Einstieg in diese Pole-Soundwelt ermöglichte, wie so oft in der elektronischen Musik, der Zufall. Und zwar ist Stefan Betke ein Waldorf-Filter heruntergefallen, der dadurch plötzlich ein musikalisches Eigenleben entwickelte. Betke: „Es ist erst mal gar nicht so einfach, ein Stück mit wild umherspringenden Knacksern zu produzieren. Die sind ja nicht irgendwie programmiert, der Filter macht das halt einfach so. Der Umgang mit dem Filter hat sich mit der Zeit aber schon geändert. Auf der blauen Plattte waren die Knackser noch ganz weit vorne, inzwischen sind sie ganz weit hinten.“ Wie es weiter gehen wird, ob der Filter weiter eine Rolle spielen wird, weiß Betke noch nicht: „Vielleicht arbeite ich demnächst ja mit dem Gebiss meiner Oma.“
Das was Betke als Pole produziert, fand lange Zeit keine richtige Schublade. Betke selbst nannte es „Urban Dub“ und seitdem ist der Terminus amtlich. Ein Label für alles, was man darunter katalogisieren kann, stampfte er gleich noch dazu aus dem Boden. Scape gibt es jetzt seit einem Jahr. „Mit dem Erfolg, den wir damit haben“, so Betke, „hatte anfangs keiner gerechnet. Ich weiß noch, wie wir damals darüber geredet haben, dass das ja Minderheitenmusik sei, was wir da herausbringen.“ Entscheidend für den Erfolg waren gefeierte Platten von Kit Clayton oder Bernd Friedman, die ihre Versionen von „Urban Dub“ ablieferten.
Wie viel Anklang letztlich die Aufgabenstellung gefunden hat, den eigenen Sound mit einer programmatischen Dub-Formel abzugleichen, beweist nun das breite Spektrum von Produzenten auf der aktuellen Scape-Label-Compilation „Staedtizism“, das von den Ambient-Elektronikern Sun Electric bis hin zum Minimal-Techno-Vorkämpfer The Modernist reicht. Die „jeweiligen Definitionen von Urban Dub und Hallräumen“ wollte Betke versammeln. Und die Definitionen sind durch die Bank gelungen. Natürlich hat auch die international anerkannte Bedeutung von Pole, der als einer der Großwesire des minimalistischen Berlin-Technos betrachtet wird, zur Etablierung Scapes beigetragen.
Dafür, dass der Brutzel-Sound von Pole eigentlich in höchstem Maße randständig klingt und derart reduziert dubbige Klangflächen eher für den experimentierfreudigen Couch-Hörer als für irgendwelche funktionalen Zusammenhänge von Dancefloor bis Radio gedacht ist, verkauft er sich unverschämt gut. Unter anderem die Lizenzierung bei einem renommierten Label in den USA bringt verkaufte Einheiten von bis zu 20.000 mit sich. Gründe genug, sich selbst und sein Label zu feiern. Einen mehr liefert das WMF. Das gibt es nun wieder und da Scape so etwas wie das Stammlabel des Hauses ist, lässt Betke es sich nicht nehmen, dessen Wiedereröffnung mit der Release-Party zu „Staedtizism“ zu koppeln.
Pole: „3“ (Kiff SM/PIAS), „Staedtizism“ (Scape/EFA) WMF-Eröffnungsparty am Samstag um 23 Uhr, Ziegelstraße 23, Mitte
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen