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Einmal noch verlieren

Mit Millionenaufwand wollte sich Tennis Borussia in die Fußballbundesliga kicken. Am heutigen letzten Spieltag spielt TeBe gegen den Abstieg. Der wäre ein Glücksfall

Eine Villa in der Pacelliallee in Dahlem. Auf dem goldenen Klingelschild steht „Bankhaus Partin“. Das Haus ist teuer renoviert, das Interieur nobel. Eine Sekretärin hilft dem Gast eilig aus der Jacke. Dann kommt der Pressesprecher, winkt etwas überdreht mit seiner Visitenkarte. Schließlich erscheint der Vorstandsvorsitzende. Kräftiger Händedruck. Beide haben ihre Posten erst seit kurzem. Beide bemühen sich, Aufbruchstimmung zu verbreiten. Sie wollen nach oben. Mit dem Fußballverein Tennis Borussia Berlin. In „Steinen und Beinen“ sei ihr Geld angelegt. Es ist Februar.

Michael Plassmann und Erwin Zacharias von der Göttinger Gruppe sind guten Mutes, dass der Sprung in die erste Liga nach Ablauf der Zweitligasaison 2000 gelingen kann. Innerlich sehen sie TeBe schon im Olympiastadion gegen Hertha BSC spielen.

Doch dann kommt alles anders. Es ist fast Sommer, und TeBe hat keine wundersame Metamorphose vollzogen, der Verein in der Umklammerung der Göttinger Gruppe ist sich treu geblieben. Von Aufstieg ist seit langem nicht mehr die Rede, sondern vom Abstieg. Der ist so wahrscheinlich, wie das marode Image der Kapitalanlagetrickser aus Göttingen auf die Kicker in Violett übergegangen ist. Heute spielt Tebe in Chemnitz um den Verbleib in der zweiten Liga.

Nichts hat geholfen. Nicht die 34 Millionen Mark Investitionen vor der Saison, nicht ein Trainer, Winfried Schäfer, der mit einem hanebüchenen Vertrag an den Klub gekettet wurde. Vier Millionen Mark sind zu zahlen, falls dem Übungsleiter vorzeitig gekündigt wird. Und nun zögert auch noch der Deutsche Fußball-Bund (DFB) mit der Lizenz für die kommende Saison, nachdem die Zeitungen übervoll waren mit Meldungen vom unseriösen Treiben der Göttinger und deren Zahlungsschwierigkeiten.

Viel ist geschrieben worden vom zerrütteten Verhältnis zwischen Trainer und Mannschaft. Zuletzt machten wieder mal Gerüchte die Runde, die Spieler würden gegen den Verein spielen, weil ihre Verträge nicht in der Regionalliga gültig sind und sie weg wollten. Doch auch zuvor spielten die Kicker schon gegen den Verein, weil es sich sehr kommod in der 2. Liga leben lässt. In der Bundesliga hätte man den einen oder anderen notgedrungen gegen Spieler austauschen müssen, denen der Tabellenstand ein wenig näher geht als der Kontostand.

Doch der Kern des Problems liegt anderswo – bei der Göttinger Gruppe. Sie haben ein dubioses Finanzgebahren vorgelebt. Die Spieler von TeBe haben es gerne aufgegriffen. Skrupellos haben Ansgar Brinkmann, Sascha Ciric und Co. den Verein abgezockt. Mit mediokren Auftritten, aber gekonnten Intrigen. Moralisch ist das vertretbar, wenn die Chefetage, der „vermögensvernichtende“ Arbeit nachgesagt werden darf, zweifelhaft am Finanzmarkt agiert. Anderen Sponsoren ist so die Lust an einer Investition in die Borussia vergangen. TeBe wird gemieden, weil man nicht in der Korona der Göttinger Gruppe stehen will.

Der mögliche Abstieg in die 3. Liga wäre somit zwar ein Betriebsunfall, könnte aber die Rettung des Vereins bedeuten. Schäfer wäre weg. Er hat signalisiert, dass er nicht in der Regionalliga arbeiten möchte. Auch die reich besoldeten Balltreter würden gehen. Bleibt nur die Göttinger Gruppe, die nicht müde wurde, vom langfristigen Engagement zu sprechen. Vielleicht haben sie ein Einsehen, dass sie besser die Finger von Investitionen in Beine lassen sollten – und bei den Steinen bleiben. Ihre Immobilie in Dahlem kann sich immerhin sehen lassen. MARKUS VÖLKER

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