piwik no script img

Das Powerdepot

Gut im Geschäft und zurück im Nachtleben: Der WMF-Club feierte in der Ziegelstraße seine fünfte Neueröffnung

Da geht vor dem Eingang des neuen WMF erst mal gar nichts: Bestimmt drei- wenn nicht gar vierhundert Menschen stehen sich Samstagnacht in der Ziegelstraße in Mitte die Beine in den Bauch, auf der einen Seite die zahlenden Gäste, auf der anderen die geladenen. Was aber in der Praxis keinen Unterschied macht, warten müssen alle: Namen auf der Gästeliste zu finden geht eben auch nicht schneller als zwanzig Mark zu kassieren. Da bleibt dann nichts anderes übrig, als sich in Geduld zu üben, die Nacht neu zu verplanen oder sich Gedanken über ein sinnfälliges Werbeplakat der Berliner Volksbank rechts neben dem Eingang zu machen: „Nicht staunen. Einfach anlegen“ steht da geschrieben, und tatsächlich: Gäbe es sowas wie „Powerdepots“ oder Aktien für Clubs, würde man mit dem WMF gut Geld verdienen können. Der Club gehört zu den beliebtesten der Stadt, bei Kids genauso wie bei notorischen Szeneleuten, und seine sprichwörtlich bewegte Geschichte mit den vielen Ortswechseln steht stellvertretend für die des Berliner Clublebens in den letzten zehn Jahren. Was sich für Clubbetreiber in der Regel als Nachteil erweist – schließen, neu anfangen, schließen usw –, hat man beim WMF mit den Jahren zum erfolgreichen Programm gemacht. Wozu auch gehört, den guten Namen zu einer Handelsmarke umzufunktionieren und darunter eine Bookingagentur und ein Plattenlabel laufen zu lassen.

War es nun in den letzten drei WMF-losen Monaten schon ein beliebter Rätselspaß, wo denn nun die Betreiber ihren Laden ein fünftes Mal neu eröffnen würden (gerüchteweise vom alten Planet in der Köpenicker bis zu irgendwelchen Supermärkten in Pankow), so schien es in den letzten Tagen auf den Stadtleben-Seiten der einschlägigen Berliner Zeitungen kein anderes Thema zu geben als die WMF-Wiedereröffnung. Da konnte man dann lesen, dass das WMF „der Club der Neuen Mitte“ sei. Da konnte man sich aber vor allem überzeugen, dass es so viel nicht zu sagen gibt zum WMF. Was dann am schönsten vorgeführt wurde im Radio, am Samstagnachmittag beim Jugendsender Fritz: Dort wusste der Moderator nicht mehr als „fein, fein, fein“ auszurufen, was wiederum die beiden Gesandten des WMF, wahrscheinlich überrascht vor so viel Sprach- und Ahnungslosigkeit, nicht gerade animierte, genauer zu erklären, was es mit dem WMF, seinen Sounds und der Clubkultur in Mitte und anderswo für eine Bewandtnis hat.

Immerhin: Das Bedürfnis nach regelmäßigen Events in Form von Abschiedsfeiern und Wiedereröffnungen erfüllt die WMF-Crew vorbildlich, weswegen auch in dieser Nacht alle dabei sein wollen. Gegen drei Uhr morgens hat der Andrang an der Tür nachgelassen, der Einlass geht zügig, und schnell kann man sich davon überzeugen, dass alles noch schöner, größer und dunkelgelber geworden ist.

Man kann seine Runden drehen durch Lounge, Floor und Seitenflügel, sich bei Highfish&Dirringer austoben und bei den Scape-Acts in der Lounge chillen, und das Publikum ist schön und jung, kreativ und nicht mehr ganz so jung. Jungs und Mädchen aber, die sonst lieber ins Casino oder Matrix gehen, sind kaum welche zu sehen.

Alles irgendwie beim Alten also, genauso wie das weitere Procedere. Denn in vier Monaten ist wieder Schicht. Dann läuft der Mietvertrag aus, dann wird Abschied gefeiert, dann macht sich die WMF-Crew auf die Suche nach einer neuen Location für den Winter. Und täglich grüßt das Murmeltier. GERRIT BARTELS

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen