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Rasen, saufen, drüberfahren

Hamburgs Autofahrer stellen neuen Unfallrekord auf: Noch mehr Verkehrstote und noch mehr Schwerverletzte  ■ Von Elke Spanner

Als gute Nachricht gilt, dass auf Hamburgs Straßen im vorigen Jahr zumindest kein Kind totgefahren wurde. 48 Erwachsene aber starben im Verkehr, über 12.000 Menschen wurden verletzt – das sind 33 am Tag. Da die meisten Unfälle rasende oder betrunkene AutofahrerInnen verursacht haben, erinnerte Innensenator Hartmuth Wrocklage (SPD) bei der Veröffentlichung des Verkehrsberichtes 1999 gestern daran, dass „Verkehrsregeln keine Schikane sind, sondern einen fließenden Verkehr ermöglichen und mehr Sicherheit für die Verkehrsteilnehmer bringen sollen“.

In Hamburg ist der Verkehr allerdings mehr fließend als sicher. Im vorigen Jahr wurde mit 57.908 Unfällen (drei Prozent mehr als 1998) ein zweifelhafter Rekord aufgestellt: 158 Crashs Tag für Tag. 17 Menschen wurden von rasenden AutofahrerInnen totgefahren, 10 starben, weil jemand trotz Alkoholkonsums ins Auto gestiegen ist. Die SanitäterInnen konnten zudem 21 Männer und Frauen nicht mehr retten, die sonstigem Fehlverhalten im Verkehr zum Opfer gefallen sind. 938 Menschen wurden schwer verletzt – sechs Prozent mehr als voriges Jahr.

Zwar haben alle Kinder den Individualverkehr überlebt, 123 aber nur schwer verletzt. Pro Tag erleiden drei Mädchen und Jungen Verletzungen, welche die Innenbehörde als „leicht“ einstuft. Bei Kontrollen verhängte die Polizei in 1404 Fällen ein Bußgeld, weil Kinder als MitfahrerInnen im Auto gar nicht oder zumindest nicht ordnungsgemäß gesichert waren.

Gesunken ist die Zahl der im Verkehr verunglückten FußgängerInnen auf aber immerhin noch 1237 – darunter 15 Männer und Frauen, deren Spaziergang tödlich endete. Angestiegen ist demgegenüber die Zahl der FahrradfahrerInnen, die einen Unfall erlitten: 2.265 RadlerInnen verunglückten, fünf von ihnen tödlich. In 56 Prozent der Fälle trugen AutofahrerInnen durch Fehler beim Abbiegen, Missachtung der Vorfahrt oder durch unachtsames Öffnen der Autotür die Schuld am Zusammenstoß.

Nicht ein Unfall ist darauf zurückzuführen, so Innensenator Wrocklage gestern, dass RadfahrerInnen neuerdings gegen die Fahrtrichtung durch Einbahnstraßen radeln dürfen. Ebensowenig hätten sich Sicherheitsprobleme durch Inline-SkaterInnen ergeben.

Wer ein ernsthaftes Interesse an Verkehrssicherheit habe, so Wrocklage, müsse sich von Stammtischparolen gegen Geschwindigkeitsüberwachung und über „Abzockerei“ von Autofahrern durch die Polizei distanzieren. Die Regenbogen-Abgeordnete Heike Sudmann bezeichnete die Unfalltoten und -verletzten als „nicht hinnehmbarer Blutzoll für das Verlangen nach ungebremster Mobilität“. Der Verkehrsbericht sei ein Argument mehr, flächende-ckend Tempo 30 auf Hamburgs Straßen einzuführen.

Erst vorige Woche hatte die CDU im Bezirk Altona gefordert, die Tempo-30-Begrenzung auf der Stresemannstraße aufzuheben – die 1994 eingeführt worden war, nachdem dort ein Lastwagen ein neunjähriges Mädchen totgefahren hatte.

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