: Bass-Solo im Hamlet-Shorty
1967 heuerte Richard Thompson bei Fairport Convention an, jetzt war er mit Akustikgitarre zu Besuch im Quasimodo
Auf der Betonwand neben der Treppe zum Quasimodo klebt das Tourplakat von Richard Thompson: Zwei Typen beobachten, wie ein riesiger Rasenmäher alles Grüne abrasiert. Vielleicht fühlt sich Thompson ein wenig wie der Langzeit-Beobachter der Popgeschichte. Am Rande stehend, den Blick geschärft für Absurditäten und für die Leute, die die ganz großen Mäher fahren.
Über 30 Jahre ist Thompson dabei. Lustig die Hippiefotos von seiner Band Fairport Convention: Andere gehen nach der Schule in die Lehre, Gitarrist Thompson heuerte als 17-Jähriger bei Fairport an – das war 1967. Der Mann ist still on the road, und während ich bei Bob Dylan das merkwürdige Gefühl nicht los werde, zu jung für dessen Genäsel zu sein, ist Thompson immer gegenwärtig. Und so steht er im Quasimodo für sein Akustikkonzert in schwarzem T-Shirt und schwarzem Mützchen auf der Bühne. Rechts neben ihm Danny Thompson (nicht verwandt mit Richard) mit angenehm brummendem Akustikbass. Plakate bitten um Rauchverzicht – Tribut an geschundene Rocklungen?
Einer im Publikum trägt ein Fairport-Convention T-Shirt, einer sagt, seinetwegen hätte man ruhig elektrifiziert spielen können. Das Quasi ist nicht ausverkauft, nur gut gefüllt – einmal mehr könnte man über die relative Erfolglosigkeit toller Singer/Songwriter beim breiten Publikum sinnieren. Aber dann legen die zwei schon los mit diesen Songs, die oft ein wenig tiefer in die Abgründe des Lebens hinabsteigen und die einen denken lassen: Schön wäre es, ein wenig fröhlicher zu sein. Doch selbst aufregende Dinge wie Verführung haben bei Thompson einen bitteren Beigeschmack: „I feel so good, I’m gonna break somebody’s heart tonight“. Eine hübsche, ironische Hymne.
Viele Platten hat Thompson mit seiner Frau Linda zusammen aufgenommen. Bis sie sich getrennt haben – was für Thompson im Herzen lange die Inspiration blieb. Jetzt haut er schön krachig in die Saiten, die Akustische hat einiges zu überstehen. Thompson ist gut gelaunt, erzählt von Shakespeare und dessen Hamlet. Er habe das doch recht lange Werk ein wenig gekürzt und daraus einen drei Minuten und zehn Sekunden langen Song gemacht. Sogar Platz für ein Bass-Solo bleibt im Hamlet-Shorty. Dann macht der Engländer, der in den USA lebt, ein paar Jokes über London – wir sollten unbedingt mal im Urlaub dorthin fahren. Und nun folgt „Shoot Out The Lights“, ein Stück, das schon Bob Mould coverte. Die Lichter bleiben noch eine ganze Weile an, und obwohl die zwei keine Pause einlegen, ist die letzte U-Bahn nach dem Konzert weg. Das Tourplakat, das ich klauen wollte, hat mir übrigens jemand vor der Nase weggeschnappt. ANDREAS BECKER
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