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Dehn, brummel, dehn

Der Klangkrieg feiert mit dem Ex-Napalm-Deathler Mick Harris aka Scorn sein vierjähriges Bestehen im Postfuhramt

Ende der Achziger brachte eine Band aus Birmingham, Napalm Death, ihre Platte „Enslavement To Obliteration“ heraus. Diese Musik nannte man Grindcore. Sie zeichnete sich dadurch aus, brutaler als alles andere zu klingen, die schnellste Bassdrum der Welt zu kicken und Stücke möglichst nicht länger als eine Minute dauern zu lassen. Dazu grunzte einer, und es war herrlich.

Alles wofür Metal jemals angetreten war – schneller, härter, lauter – brachten Napalm Death in dieser Phase ihrer Karriere zu einem frühen Höhepunkt. Danach konnte es nur noch weicheiriger werden. Mick Harris, der Mann an den Drums, erkannte das und stieg Anfang der Neunziger aus der Band aus. Seitdem ist er einer der enigmatischsten Musiker im Schattenreich der Popmusik zwischen Post-Industrial, Dub und Experiment.

Mal als Scorn und mal unter eigenem Namen erforscht er nun die Möglichkeiten, mit Tieffrequenz-Bässen physische Wirkungen in der Magengegend zu verursachen. Sperriger Dub ist das, keine Musik für zart besaitete Gemüter. Harris ist einer dieser Musiker, bei denen man sich, ähnlich wie bei seinem Kumpel Bill Laswell, immer wieder fragen muss, ob da wirklich immer derselbe Typ hinter all den unübersichtlich vielen und neuen, unterschiedlichen Projekten steckt. Inzwischen hat Harris auch schon mit Drum & Bass experimentiert, mit dem Techno-Artist Surgeon gejammt, mit John Zorn Krach gemacht und immer mal wieder einen draufgesetzt, wenn es darum ging, sein zähflüssiges Dub-Gebrummel nochmals zu zerdehnen. Das Interessante an einem Musiker wie Mick Harris ist natürlich auch, dass er alle eingespielten Popmarketing-Mechanismen unterminiert. Es gibt nicht das Spielchen Platte, Presse, Tour. Sondern: da mal eine Platte, dort mal eine Tour, irgendwas ist immer. Wer ein Interview führen möchte, kann nach dem Konzert ja mal vorbeikommen.

Eine ganz andere Musik als Harris macht Piano Magic. Dahinter versteckt sich der Londoner Glen Johnson, der eine ausgesprochene Zuneigung für zärtlich verspielte Pop-Zaubereien hat. In jeden Song packt er möglichst viele versponnene Ideen, noch mehr Instrumente und singt dazu mit diesem typischen englischen Achziger-Pop-Timbre zwischen Melancholie und Euphorie, das man auch schon bei Bands wie Felt und denen aus dem Umfeld des legendären Postcard-Labels so geliebt hat.

Die so ungewöhnliche wie spannende Kombination Piano Magic und Scorn haben wir mal wieder „Klangkrieg Prod.“ zu verdanken. Die Konzertveranstalter feiern ihr vierjähriges Bestehen. Darauf einen viel zu lauten Tusch. ANDREAS HARTMANN

Heute ab 21 Uhr, Postfuhramt, Oranienburgerstr. 35, Mitte

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