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Schwarzes Schaf als Pate

Jahrzehntelang wurde das Theaterpublikum zum Opfer der Hanns-Dieter-Hüsch-Bande. Ein fahnenflüchtiger Kleinkünstler lässt jetzt im Kabarettmilieu die Zähne klappern

Ob Richard Rogler, Mathias Richling oder Jürgen Becker – niemand, der seine müde Gage nicht durch Bruchund Hehlerei aufgebessert hätte

Nachts, wenn er nicht einschlafen kann, linst Bobby Kollarz schweißgebadet durch die kugelsicheren Gardinen seines Unterschlupfs. Er hat Angst. Als Kronzeuge wartet er in einem verlassenen Dorf in den Anden auf einen einmaligen Prozess in der deutschen Nachkriegsgeschichte. Noch eine Aussage unter Eid, dann ein neues Gesicht und weg, weit weg. „ ... weil die Schwarzkonten langsam zu heiß wurden“, wandert Kollarz die letzte Pointe seiner nun beendeten Bühnenkarriere gebetsmühlenmäßig durch den Kopf. Nach dem letzten Vorhang bei einer Vorausscheidung zum Deutschen Kabarettpreis floh er im Bundeswehr-Learjet nach Peru. Aus Angst vor dem selbst ernannten „Schwarzen Schaf vom Niederrhein“: Hanns-Dieter Hüsch.

Jahrelang gab der Kabarett-Doyen Hüsch unbehelligt in voll besetzten Off-Theatern, Buchhandlungen und Sportarenen seine legendären Drei-Stunden-Performances. Genug Zeit für die Hüsch-Bande, um derweil Wohnungen ahnungslos Applaudierender nach Rubin-Broschen und Louis-seize-Sperrgut zu durchkämmen.

Hüsch war es, der sie alle auf die schiefe Bahn gebracht hat. Ob Richard Rogler, Mathias Richling oder Jürgen Becker – niemand, der seine müde Gage nicht durch Bruch und Hehlerei aufgebessert hätte. Der grau melierte Süddeutsche Bruno Jonas gilt unter Panzerknackern gar als „das magische Auge“. Unter seinem Einfluss führten mesmerisierte Stammgäste die Einbrüche gleich selbst durch. Hüsch saß wie eine Wühlmaus im Netz seines Schattenimperiums und strich die von Lisa Fitz’ Scheinehemann in Kuba geldgewaschene Provision ein. So unscheinbar agierte Hüsch, dass ihm sogar der Goldene Ring seiner Heimatstadt Moers für vermeintliche Verdienste um die Kunst verliehen wurde.

Erste Hinweise auf die Machenschaften des Gangsterrings verdichteten sich Ende 1998. Das prominente Mitglied Dieter Hallervorden geriet ins Gerede, als sein mittlerweile dritter Bewährungshelfer in Folge bei einem Autounfall ums Leben kam – am hellichten Tag, bei Tempo 30, vor der Gaststätte „Zur Wehme“ im malerischen Quickborn. Der Beamte raste unter Einfluss eines Cocktails aus Schlafmitteln in einen Heuschober, der natürlich sofort explodierte. Als Titel seines neuen Bühnenprogramms verklausulierte Hüsch daraufhin die Warnung an brancheninterne Insider: „Sach ma nix“.

Über Verbindungen dieses Vorfalls zu Konstantin Wecker kann freilich nur spekuliert werden. Fest steht, dass Wecker mit 500 Kilogramm TNT an der Grenze zu Aserbaidschan vorläufig festgenommen wurde. Und da Wecker nach dem Organspende-Prozess nur auf Bewährung draußen ist, half dem berserkerhaften Barden erst ein gesungenes Telegramm des gerissenen Außenministers Rudolf Scharping (Bündnis 90) aus der Klemme. Wecker durfte sogar die Hälfte des gefährlichen Sprengstoffs behalten und an Abnehmer in der Schlagerbranche weiter verkaufen.

Der Absprung in die Legalität ist rechtzeitig wohl nur Harald Schmidt gelungen – allerdings zu einem hohen Preis. Der Entertainer hat einen staksenden Gang zurückbehalten, nachdem ihm 1987 ein Maskierter auf dem Parkplatz einer Mehrzweckhalle mit einer Schraubzwinge die Kniescheiben zertrümmerte. Fahnder stießen auf zwei weiße Barthaare – Hüsch.

Der gerade wegen seiner scheinbaren Sanftheit gefürchtete Consigliere Dieter Hildebrandt, der „rechte Hund Hüschs“, hüllt sich derweil in Ballonseide. Scheibenwischer heißt eben nicht Durchblick, ließ Hildebrandt durchsickern. Seit Aserbaidschan regelt Wecker von Hildebrandts Wohnung aus seine dunklen Geschäfte, bewirtet enge Freunde und zeugt Nachkommen.

Wahn-Experte Werner Herzog über Freund Hüsch in seiner Doku „Mein lustigster Feind“: „Ich erwartete jeden Moment einen seiner Tobsuchtsanfälle. Wir drehten einen Film darüber, wie Hanns-Dieter einen Sattelschlepper mit vierzig gestohlenen Mercedes-Limousinen über eine unwegsame Passstraße im Hunsrück bugsiert. Die Indianer am Ufer des Hunsrück wollten ihn dafür töten. Er ist ein Arschloch, und ich liebe ihn.“

Viel Lob also für Hüsch. Gegenspieler Kollarz hält sich derweil mit Seilspringen fit und schreibt mit Blick auf eine lateinamerikanische Alm an seinem ersten Buch. Der erste Satz: „Hier finde ich nur den Rasen komisch.“ DANIEL HERMSDORF/ BENJAMIN HESSLER

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