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Verlorene Zeit kostet Raum

Gespräch mit Felix Magath, Trainer beim geretteten Bundesligisten Eintracht Frankfurt und begeisterter Schach-Fan, über die Analogien zwischen König Fußball und dem königlichen Spiel

Interview HARTMUT METZ

taz: Herr Magath, Ihr Spieler Jan-Age Fjörtoft sagte über Sie: „Ich weiß nicht, ob er die Titanic gerettet hätte. Aber die Überlebenden wären topfit gewesen.“ Schadet es nicht Ihrem Ruf als „harter Hund“, Schach zu spielen?

Felix Magath: Wenn man im Sport an der Spitze stehen will, muss man sich den ganzen Tag damit beschäftigen. So ist es im Fußball und ich kann mir nicht vorstellen, dass es die Spitzenspieler im Schach anders machen.

Wie kamen Sie denn zum Schach?

Ich wusste schon vorher, was ein Turm oder Läufer ist, aber tiefer in die Materie drang ich erst 1978 ein. Ich war an Hepatitis erkrankt und lag im Bett. In dieser Zeit verfolgte ich mit großem Interesse den Weltmeisterschaftskampf zwischen Kortschnoi und Karpow auf den Philippinen und besorgte mir auch Literatur.

Was fasziniert Sie am Schach?

Es ist ein unheimlich schönes Spiel und mich fasziniert, dass es ohne Zufälle auskommt. Dadurch lernte ich, dass man auch das Fußballspiel so begreifen kann. Alles hat seinen Grund, jede Aktion eine Begründung. Ich habe praktisch aus dem Schach die Theorie für den Fußball abgeleitet.

Zum Beispiel?

Dass man mit jedem Zug etwas androhen muss. Wenn ich den Ball in Richtung eigenes Tor zurückpasse, drohe ich wenig, sondern verliere Tempo. Diese verlorene Zeit kostet im Schach wie im Fußball Raum. Eine gute Mannschaft nutzt das aus. Ich würde gerne solche Analogien öfters aufgreifen, da aber nicht so viele Fußballer Schach spielen, ist dieses Mittel nur beschränkt einsetzbar. Ich empfehle aber jedem Profi, sich ein bisschen für Schach zu interessieren, weil es ihm auch in seinem Beruf hilft.

Kennen Sie außer dem Bremer Marco Bode, der in der Jugend ein exzellenter Schachspieler war, andere Fußballprofis mit Hang zu diesem Denksport?

Es sind relativ wenige. Mit Olaf Thon spielte ich öfters während der WM 1986 in Mexiko. Unser Hamburger Trainer Branko Zebec hatte als Jugoslawe eine größere Affinität dazu. Der spielte sehr, sehr gut und führte mich ständig vor.

Welche Spielstärke besitzen Sie auf den 64 Feldern?

Ich bin nicht sehr stark. Ich benutzte Schach als geistigen Ausgleich, als ich Fußballspieler war. Ich finde das Spiel toll, aber ich habe inzwischen nicht mehr den Nerv und die Geduld, mich damit zu beschäftigen. Während einer Saison habe ich so viele Probleme zu lösen, da besitze ich nicht auch noch die Muße für Schachprobleme.

Sie haben schon im Simultan gegen Weltmeister Garri Kasparow gespielt. Konnten Sie sich da von Topsportler zu Topsportler austauschen?

Ich sprach kurz mit ihm. Ich gewann den Eindruck, dass er mich aus Sympathie mit dem Fußballsport nicht ganz so unter Druck gesetzt hat.

Gewonnen hat er auf Grund seines brennenden Ehrgeizes aber sicher.

Ja, nach 32 oder 33 Zügen legte ich meinen König um.

Kasparow gönnt ja selbst in einem Simultan keinem Amateur eine Freude.

Genau das zeichnet überdurchschnittliche Spieler aus! Das versuche ich meinen Fußballern auch immer beizubringen. Sie müssen jedes Spiel gewinnen wollen. Auch das Trainingsspiel, wenn es um nichts geht. Diesen Ehrgeiz Kasparows kannte ich nicht.

In der Bundesliga trimmten Sie die Eintracht zur drittbesten Rückrunden-Mannschaft. Lässt das einen Frankfurter Champions-League-Platz erwarten?

Nein, natürlich nicht. Die Spieler befanden sich in der Rückrunde fast ständig an ihrer Leistungsgrenze. Das geht nicht über längere Zeiträume. Für uns geht es nur gegen den Abstieg.

Mancher unkt, Felix Magath macht starke Eröffnungszüge bei seinem neuen Verein, lässt dann im Mittelspiel nach und geht im Endspiel matt.

Ich habe sicher die Fähigkeit, aus einer Mannschaft sehr viel herauszuholen. Aber ich kann nicht aus Spielern, die letztlich nicht das Niveau haben, über Jahre alles herausholen. Wenn man mir aber die Möglichkeit gäbe, wie sie zum Beispiel Herr Hitzfeld in Dortmund bekam, dann gelänge mir auch der Erfolg über eine Saison hinaus. Wenn man mir diese Möglichkeit in Frankfurt gibt, bin ich sicher, dass die Eintracht in absehbarer Zeit in der Bundesliga eine gute Rolle spielt.

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