: Im Mutantenstadl
Die Volks-Blasi-Musi-Nischenzeitung „Musikparade“ versucht, neue, junge, frische, moderne Schlagerfans zu gewinnen – ein zünftiges Oxymoron
von JENNI ZYLKA
Stefan Raab hatte es nicht zwar nicht ganz geschafft. Aber beim europäischen Schlagerspektakel vor drei Wochen wurde trotzdem klar: Mit Schlagern lässt sich, wenn man es richtig anstellt, eine Menge Quote machen und Geld verdienen. Sie sind längst kein Nischenphänomen mehr, sondern, im Falle von Raab oder der Schwachsinns-Humba-Humba-Hymne „Anton aus Tirol“ eindeutig, eines für die Massen. Nicht zuletzt das wird ein Grund für die dröge Volksmusikzeitung Lustige Musikanten gewesen sein, sich eines „Komplettrelaunches“ zu unterziehen, um als Musikparade wiederaufzuerstehen. Oder wie es der Chefredakteur Eduard Wolczak formuliert: „Inhaltlich widmen wir uns jetzt mehr dem deutschen Schlager, ohne die Volksmusik zu vergessen. ... Unser oberstes Gebot war, die angestammten Leser nicht zu verlieren und neue Leser und Leserinnen – vor allem jüngere Volksmusik- und Schlagerfans – zu gewinnen.“
Also vom Regen in die Traufe. Da darf Mary Roos neben Carolin Reiber der Mupa ihre Gedanken zum Muttertag mitteilen, Hitparaden-Sonnenbänkler Uwe Hübner erklärt, dass „Schlager neue Wege brauchen“, aber das Poster in der Heftmitte zeigt nach wie vor alte Helden: „Die Jungen Oberkrainer“ zum Herausnehmen, An-die-Wand-Pinnen und Mitschunkeln. Ob die „jüngeren Schlagerfans“ sich angesprochen fühlen von der „an den 60er-Jahren orientierten“ Gestaltung des Heftes, bleibt fraglich. Es ist grafisch ungefähr so sehr an den 60ern orientiert wie Carolin Reiber. Und auch der „Fit und gesund“-Service zum Thema Blasenschwäche gibt einen ganz klaren Hinweis in Richtung Leserschafts-Alter – wohl ebenfalls 60er-Jahre.
Aber der Mupa-Chefredakteur ist zufrieden. 100.000 Hefte Startauflage habe man gedruckt, und die ersten Verkaufszahlen nach dem Relaunch seien sogar angestiegen. Trotz dieser leicht alarmierenden Nachricht gilt: Solche Blasi-und Musi-Magazine muss es erstens geben (es finden sich derer gruseligererweise mindestens noch drei weitere: Musikanten Stadl Post, Meine Melodie und Stars und Melodien), und zweitens bekommen die jüngeren Schlagerfans, die angeblich für die Steigerung der Mupa-Auflage gesorgt haben, mit diesem Magazin auch endlich, was sie durch ihren laxen Umgang mit dem sensiblen Thema heraufbeschworen haben. Wenn man Glück hat, „entdecken“ diese geschmacksverirrten Jungfans, angestachelt durch Homestorys wie „Stoakogler auf Millionenkurs“ und seitenweise Fernsehtipps („14:03 Wunschbox mit Roberto Blanco“), wirklich ihre volkstümliche Seite und verduften für immer in den weiß-blauen Madl-wenn-die-Musi-spuit-Gefilden. Verdient hätten sie’s jedenfalls.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen