: Erfolg für wen?
betr.: „Studiengebühren und Studienkonten“, taz vom 27./28. 5. 00
[...] Die Bildungsministerin Bulmahn ist bisher mit sämtlichen ihrer Reform- und Veränderungsversuche gescheitert und beim Thema Studiengebühren ist das genaue Gegenteil der Koalitionsvereinbarung in Sicht.
Krista Sager verteidigt die Studienkonten – und damit zwangsläufig Studiengebühren, wenn das Konto leer ist – als Erfolg, aber Erfolg für wen? Von wem stammt die Idee, „Bildung für alle“ abzuschaffen? Herr Zöllner und Frau Sager haben schöne Konzepte, aber von wem stammen die?
Offensichtlich weiß Frau Sager das auch nicht, ob der verqueren Logik, mit der sie die Studienkonten preist. Das Grundstudium sei doch weiterhin frei, wer jobben müsse oder Kinder betreuen oder ein geplantes Teilzeitstudium betreiben wolle, der/die sei auch zukünftig vor Gebühren geschützt. Man wolle nur die Pflichtveranstaltungen mit einer Chipkarte abbuchen. Das würde bedeuten, dass die heutigen Studis deswegen länger studieren, weil sie ihre Pflichtveranstaltungen mehrfahr hören. Das tut aber niemand freiwillig.
Es geht um die Rentenkassen, die durch ein spätes Eintreten der Studis in den Arbeitsmarkt weniger bekommen. Es geht um die Wirtschaft, die lieber jüngere formbarere Arbeitnehmer hätte, und um das Einkommensniveau von Akademikern. Es geht auf der anderen Seite um ganze Branchen, die ohne billige studentische Arbeitskräfte nicht existieren könnten und um eine große Zahl zusätzlicher zukünftiger Arbeitsloser, die dann rausgeschmissenen „Langzeitstudis“, die derzeit in besagten Branchen beschäftigt sind. Und nicht zuletzt geht es um die derzeit ausreichende Finanzierung der Hochschulen, wo sich der Staat, auch in Krista Sagers Hamburg, Stück für Stück aus der Verantwortung stiehlt und mit unsinnigen Kapazitätsberechnungen den Universitäten vorrechnet, dass Studis jenseits einer fiktiven „Regelstudienzeit“ nichts als Geld kosten.
Diese Argumente kann man bewerten und abwägen. Wenn man damit fertig ist und auch Herr Zöllner und Frau Sager ehrlich ihre Prioritäten und Beweggründe auf den Tisch legen, dann kann man das Studienkontenmodell und den Sinn von Studiengebühren ernsthaft diskutieren. KNUD JAHNKE,
Grüne Hochschulgruppe an der Uni Hamburg
Die Entscheidung der Kultusministerkonferenz (KMK) stellt einen Rückschritt in die Siebzigerjahre dar, in denen man sich von Studiengebühren befreit hatte. Bildung wird als Ware angesehen, als ein Service, für den man zu bezahlen hat. Wissen ist aber ein Gut, auf das jede/r Anrecht hat. Hier wird versucht, Marktelemente in ein soziales System zu mischen, was den Grundsätzen eines sozialdemokratisch regierten Landes widersprechen sollte. Studium bildet nicht zuletzt eine Möglichkeit des sozialen Aufstiegs. Aber dies wird durch eine zu befürchtende Einführung allgemeiner Studiengebühren durch die Hintertür torpediert.
Die Gebühren kommen nicht einmal den Hochschulen selbst zugute, sondern dienen zum Stopfen von Haushaltslöchern.Das mag zwar für Finanzminister Eichel vorteilhaft sein; die SPD tut sich in Erinnerung des Wahlversprechens, keine Studiengebühren einzuführen, und angesichts vielbeschworener Parteienverdrossenheit sicher keinen Gefallen. ANDRÉ HESS,
Referent für Kultur & Bildung, AStA der FH Neubrandenburg
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