: Die zur Musik tanzend tauchen
Deutsche Meisterschaften im Synchronschwimmen in Berlin. Grazil strampelnd machten die Nixen ihrem Ruf alle Ehre, nicht für die Olympischen Spiele gemeldet zu sein. Bei der Europameisterschaft 2002 in Berlin soll alles anders werden
Gewöhnlich muss Synchronschwimmen als metaphorische Allzweckwaffe herhalten, wenn es um überflüssige und ergo unpopuläre Sportarten geht. Ein jeder erinnert sich an verrenkt winkende Wadenparaden und heftige Zuckarme, um postwendend abzuwinken. So erhöhte sich die Erfolgsquote aller wahnwitzigen Aufnahmeanträge ins olympische Repertoire, würde pauschal insistiert: „Und außerdem ist doch sogar Synchronschwimmen dabei.“
Vor den 44. Deutschen Meisterschaften im Synchronschwimmen in der Schöneberger Schwimmhalle machte es Sinn, literweise Ernsthaftigkeit in sich hineinzuschütten und Haltung zu proben. Drei Tage lang absurde Randsportarten beim TV-Sender DSF sollten ein Härtetest sein.
Denn es handelt sich hier um leistungsorientierte Verausgabung gepaart mit expressiv-virtuosen Revuefiguren, was im Programm des Ausrichters SC Wedding folglich auch als „wohl ästhetischste Wassersportart“ beschrieben wird. Obwohl sich nur Frauen zum Wettkampf trafen, begann das ehemalige Kunst- und Reigenschwimmen mal ganz anders.
Eine Zeitschrift aus dem Jahre 1816 beweist, dass selbst diese zappelnden Kopieversuche von Flipper bis Flunder ursprünglich einer Männerseuche entstammen: „Das schönste Schauspiel ist es für Zuschauer, wenn sie Jünglinge und Männer im Spiegel des Wassers sich üben und in mannigfaltigsten bildlichen Kunstfiguren sich gruppieren sehen“. Die Frauen durften erst 1907 ran. Mit einem beinspreizenden Pandabär als Maskottchen, dazu natürlich Eberhard Diepgen als Schirmherrn und der GE Gynäkologie der Schering GmbH als Sponsor mühten sich am Sachsendamm über 80 Akteurinnen in Gruppe und im Duett mit den Elementen Alba, Aurora, Catalina, Flamingo, Gaviata, Heron, Nova und Swordfish.
Dass es auch einen Solo-Wettbewerb gibt, wundert nur unbedarfte Zierfischchen, die noch nicht viel wissen. Sicher gibt es auch Solisten, da das 1934 bei der Weltausstellung in Chicago erstmals benutzte „synchronized swimming“ nicht zwingend auf die Synchronität zur Partnerin, sondern zur Musik abzielt. Da ein Telefonat mit den Veranstaltern aber versicherte: „Die Pflicht Samstagmorgen ist langweilig“, fanden sich nur 40 Zuschauer ein, um die 25-jährige Gabi Kornbichler von Eintracht Karlsfeld im Vorkampf „Technische Kür, Solo“ vor Sabrina Wild siegen zu sehen, die grazil strampelnd für die SG Synchro Württemberg ihrem Namen alle Ehre machte. Die Lokalnixen vom SC Wedding, Marisa Czempiel und Cordula Mundins, kräuselten auf den Plätzen 21 und 24 und mit Rückständen von 14,047 und 14,593 Punkten auf die Siegerin schon nach der Pflicht abgeschlagen hinter den besten Fußschwingerinnen her. Bis zur EM 2002 in Berlin müssen sich noch viele Knöchel in den Wind neigen, um eine schlagkräftige Hauptstädterin aufzubieten.
„Für Olympia in Sydney hat der DSV nicht gemeldet, weil der Abstand zur Weltspitze so groß ist“, verrät Jürgen Blatz, Vorsitzender der Fachsparte Synchronschwimmen beim DSV, und investiert lieber in den Nachwuchs.
In der Gruppe rangierte mit einem Tröpfchenvorsprung von 0,047 Punkten DHFK Leipzig nach der technischen Kür an der Spitze vor den Titelverteidigerinnen vom TSV Neuburg/Donau. Wadenstreckenderweise bewiesen die Leipzigerinnen am schönsten, dass sie keine Probleme mit Hammerzehen und Hornhaut plagen, während sie mit unendlicher Lungengeduld etwas am Beckengrund zu suchen schienen. Ihre Frustration nach der glücklosen Suche hinter einem tollwutähnlich zementierten Lächeln verbergend, tauchten sie wieder auf.
Da also an dieser Stelle doch die Kontenance zu schwinden drohte, war es besser, am Sonntag irgendwo in Brandenburg nach einem Unterwasserrugby-Match zu fahnden, um sich zu vergewissern, dass auch feuchte Männer Komisches zustande bringen. GERD DEMBOWSKI
Hinweis:
WADENZEIGENIn unendlicher Lungengeduld schienen die Leipzigerinnen etwas am tiefen Beckengrund zu suchen
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