: Ende der Piraterie
Der Pantani-Kumpan Stefano Garzelli gewinnt den Giro d’Italia und erwirbt sich einen neuen Spitznamen
BERLIN taz ■ „Der Vergleich mit Marco hat mir immer gut gefallen, aber jetzt findet bitte einen anderen Spitznamen für mich.“ Das Selbstbewusstsein des Stefano Garzelli war deutlich gewachsen, nachdem er sich am Samstag mit seinem dritten Platz im vom Tschechen Jan Hruska dominierten Bergzeitfahren über 34 km das Rosa Trikot beim Giro d’Italia geholt hatte. Auf der gestrigen Schlussetappe von Turin nach Mailand, die der Italiener Piccoli gewann, ließ er sich den Gesamtsieg nicht mehr nehmen.
Bislang wurde Garzelli, der 1998 als Sieger der Tour de Suisse erstmals international von sich reden machte, „Il Piratello“ genannt, weil er in Kopfform und Statur seinem Kapitän bei „Mercatone Uno“, Marco „Il Pirata“ Pantani, stark ähnelte. Damit soll jetzt Schluss ein. Ein Giro-Sieg ändert in Italien so manches.
Diesen Sieg hatte eigentlich Francesco Casagrande fast schon sicher gehabt. Elf Tage lang hatte er das Rennen beherrscht und an der Spitze des Gesamtklassements gelegen, 25 Sekunden betrug sein Vorsprung, bevor er in Briançon den Kampf gegen die Uhr aufnahm. Doch dann kam er nicht in Tritt, weil ihn der Ischiasnerv am linken Bein schmerzte, wie er später sagte, und verspielte auf einem vergleichsweise winzigen Abschnitt des 3.688 Kilometer langen Giro den Triumph, für den er so ausdauernd gekämpft hatte. „Er war nicht unter den Favoriten, er musste keinen Druck aushalten, er musste nicht das Rosa Trikot verteidigen, er war nicht ständig von Journalisten umringt“, sagte Casagrande ein wenig neidisch über den blondierten Konkurrenten Garzelli, der seinen Widersacher auf den schweren Etappe an den Tagen zuvor systematisch zermürbt hatte. Nicht zuletzt dank der Hilfe seines Kapitäns Marco Pantani.
Der Tour-Sieger von 1998 hatte, nachdem er beim letzten Giro wegen seines hohen Hämatokritwertes aus dem Rennen genommen worden war, ein Jahr lang kein Rennen bestritten und sich erst kurz vor Beginn entschlossen, an der Rundfahrt teilzunehmen. Im Gesamtklassment frühzeitig abgeschlagen, fand er in den Alpen zu alter Stärke und setzte diese vorwiegend ein, um seinen Teamkollegen Stefano Garzelli zu unterstützen. „Marco hat mir physisch auf der Etappe nach Briançon geholfen, aber vor allem psychologisch“, bedankte sich der 26-Jährige aus Varese beim erfahrenen Kollegen. Noch beim Frühstück vor dem Zeitfahren habe ihm Pantani gesagt: „Sei ganz ruhig, du gewinnst den Giro.“
Ob Stefano Garzelli allerdings der neue Spitzname behagt, den die Gazzetta dello Sport bei seiner Freundin stibitzt hat, sei dahingestellt. Die Zeitung nennt ihn nunmehr, wegen seiner Kletterkünste und seiner Liebenswürdigkeit, „Lo Scoiattolo“ – das Eichhörnchen. MATTI LIESKE
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen