piwik no script img

Der fliegende Frisiersalon

Groß, schnell und komfortabel soll der Riesen-Airbus A3XX werden. Wird er auch rentabel?

von HANNES KOCH

Einiges deutet darauf hin, dass das größte Passagierflugzeug aller Zeiten nun doch gebaut wird. Die Entscheidung ist zwar noch nicht gefallen, aber die Zeichen mehren sich. In kleinen Häppchen verteilt das europäische Airbus-Konsortium immer neue Informationen über angebliche Käufer für den bisher erst in Computermodellen existierenden Riesen-Flieger A3XX. Gestern hieß es aus der im französischen Toulouse ansässigen Airbus-Zentrale, dass eine US-Leasing-Firma Interesse am Kauf mehrerer Exemplare angemeldet habe.

Airbus-Chef Noël Foregard setzt sich selbst, seine Firma und auch die Regierungen der am Airbus-Konsortium beteiligten Staaten immer mehr unter Druck – so dass der Weg zurück allmählich versperrt ist. Bei 50 Bestellungen werde das gigantische Flugzeug fertig entwickelt und gebaut, lautet die Ansage aus Toulouse. Dieser Zahl kommen die Akquisiteure allmählich nahe. Und so ist es nicht unwahrscheinlich, dass während der Internationalen Luftfahrt-Ausstellung ILA, die heute in Berlin beginnt, Minister und Aufsichtsräte der Airbus-Firmen die grundsätzliche Entscheidung für das Flugzeug fällen.

Der A3XX – eine Geschichte über Ingenieurs-Wahnsinn, das große Geld und globale Wirtschaftspolitik. Bis zu 650 Menschen sollen in dem Drei-Etagen-Flugzeug gleichzeitig reisen können –200 mehr als in den bislang größten Passagier-Flugzeugen, den Jumbo-Jets Boeing 747 aus den USA. Und sie sollen mit beispiellosem Komfort gelockt werden: Denn Restaurants, Cocktail-Bars, Wellness-Studios sollen mitfliegen. Auf 24 Milliarden Mark werden die Entwicklungskosten für den A3XX veranschlagt – ein Projekt, mit dem sich selbst wirtschaftlich extrem potente Staaten wie Deutschland, Frankreich und Großbritannien die Latte sehr hoch legen. Denn die Frage ist, ob Airbus genug Flugzeuge verkaufen kann, um den Aufwand zu rechtfertigen.

Wirtschaftlich betrachtet würde die A3XX-Produktion ein äußerst heikles Unterfangen darstellen. Nicht nur Lufthansa-Chef Jürgen Weber bezweifelt den Bedarf der Fluggesellschaften weltweit. Durch die Liberalisierung des Flugverkehrs würden mehr und mehr Flughäfen zu Drehscheiben ausgebaut. Es entstehe ein dichteres Netz von Airports – und der Verkehr zwischen diesen brauche eher kleinere Flugzeuge, sagt Weber.

Von derartigen Argumenten hält man bei Airbus und den verbundenen Investmentbanken nicht viel. Das Unternehmen und seine Berater zitieren eigene Untersuchungen, nach denen sich bis 2020 ein Markt für rund 1.500 neue Riesenflugzeuge auftue. Die Hälfte will das europäische Konsortium erobern. Vor allem auf den Langstrecken über den Pazifik und den Atlantik sei es ökonomisch sinnvoll, das Flugzeug einzusetzen, das rund 20 Prozent weniger Kerosin pro Sitz und Kilometer verbrauchen soll als herkömmliche Modelle.

Selbst unter der günstigen Voraussetzung, dass diese Vorhersagen eintreffen, wird der A3XX frühestens in 15 Jahren seine Kosten wieder hereingeflogen haben. Niedrigere Verkaufszahlen als die vermuteten 30 Stück im Jahr bringen die Rechnung zusätzlich ins Wanken.

Ein ungelöstes Problem ist bislang auch, das der Super-Airbus heute ein bisschen zu groß ist für viele Flughäfen dieser Erde. Die Spannweite seiner Flügel misst 13 Meter mehr als dies des Jumbo-Jets. Ob die Fluggesellschaften und Airport-Betreiber neue Terminals bauen wollen, damit Großflugzeuge am Gate andocken können, ist fraglich.

Doch auch, wenn der A3XX lange Zeit seine Kosten nicht erwirtschaften sollte, kann er sich für das Airbus-Konsortium und die europäische Flugzeugindustrie positiv auswirken. Denn Airbus bricht mit dem Riesenflieger das letzte Monopol der Konkurrenz-Firma Boeing: Der Jumbo-Jet 747 wäre dann nicht mehr einzigartig. Beim Verkauf der 747 müsste Boeing mit dem Preis heruntergehen und könnte deshalb seine kleineren Modelle, die schon durch Airbus unter Druck sind, nicht mehr quersubventionieren. In der Folge könnte sich Airbus mit seiner gesamten Produktionspalette besser gegen Boeing durchsetzen.

Bei kaum abschätzbaren Großtechnologien – neben der Magnetbahn Transrapid oder dem Hochgeschwindigkeitszug ICE macht der A3XX da keine Ausnahme – spielen auch andere Beweggründe eine Rolle. Prestige zum Beispiel. Die Chefs der deutschen Dasa und der französischen Aerospatiale nervt schon lange, dass nicht sie das größte Linienflugzeug der Welt bauen, sondern die Amerikaner.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen