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Joschka Fischers persönliches Asylrecht

In den nächsten Tagen werden 400 südlibanesische Familien in Deutschland Asyl finden, obwohl sie aus dem „sicheren Drittland“ Israel kommen. Palästinenser aus dem Libanon dagegen werden abgeschoben, kritisiert Pro Asyl

BERLIN taz ■ Die Bundesregierung ist um eine zügige Aufnahme der 400 Angehörigen der Südlibanesischen Armee (SLA) in Deutschland bemüht: Man gehe davon aus, dass die 400 Südlibanesen, die aus den Familien von 40 ehemaligen Milizionären bestehen, bereits in 14 Tagen einreisen, erklärte eine Sprecherin des Innenministeriums gegenüber der taz.

Die SLA-Milizionäre, deren Aufnahme Außenminister Joschka Fischer bei seinem Besuch in Israel am Dienstag zugesichert hatte, sollen auf alle Bundesländer verteilt werden. Die 400 Südlibanesen kommen auf der Grundlage des Paragraphen 33 des Ausländergesetzes „aus humanitären Gründen“ in die Bundesrepublik. Wie lange sie bleiben dürfen und welcher Aufenthaltsstatus ihnen zuteil wird, sei noch völlig unklar, so die Sprecherin des Innenministeriums: „Dazu ist es noch viel zu früh.“

Die ehemaligen Kämpfer der SLA waren nach dem Abzug der israelischen Truppen aus dem Südlibanon vor vierzehn Tagen nach Israel geflüchtet. Etwa 6.000 Milizionäre samt Familien verharren seither in israelischen Flüchtlingslagern. Im Falle einer Rückkehr fürchten die proisraelischen christlichen Kämpfer staatliche Repressalien sowie Gefahr für Leib und Leben. Für die Hisbollah sind sie Spitzel und Kollaborateure.

Irritiert reagieren deutsche Flüchtlingsorganisationen auf Fischers humanitäre Hilfe. Es müsse doch sehr verwundern, sagt Martin Link von der Arbeitsgemeinschaft Pro Asyl, wenn plötzlich „entgegen aller bisherigen politischen Statements Kontingente für Menschen geschaffen werden, die aus einem vom Auswärtigen Amt als sicher bezeichneten Herkunftsland stammen und sich bereits in einem sicheren Drittland befinden.“ Link verweist darauf, dass regelmäßig Palästinenser, denen in Libanon Gefahr drohe, von der Bundesrepublik dorthin abgeschoben würden: „Hier wird doch mit zweierlei Maß gemessen.“

Es wird allgemein davon ausgegangen, dass die israelische Regierung um die Aufnahme der Milizionäre gebeten hat. Das Auswärtige Amt wollte sich gestern zu Fischers Beweggründen, das Begehren zu unterstützen, nicht äußern. Kenner der arabischen Einwanderergemeinden in der Bundesrepublik schließen unterdessen Konflikte mit den Neuankömmlingen nicht aus. „In Gegenden, in denen viele Palästinenser leben, sollte man die Leute vielleicht nicht unbedingt schicken“, sagt die Mitarbeiterin einer Beratungsstelle für Flüchtlinge in Berlin. Der libanesischstämmige Berliner Islamwissenschaftler Ralf Gadban hält solche Befürchtungen für übertrieben. Gadban nimmt aber auch an, dass die meisten nicht lange bleiben werden: „Fast alle werden versuchen, in die USA oder nach Kanada zu kommen.“ Vor allem dorthin waren Libanesen schon während des Bürgerkriegs ausgewandert.

JEANNETTE GODDAR

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