: Ziellose Suche nach dem Sinn des Lebens
■ „Am Ende hatte Robert einen Heulkrampf“: Hans-Christian Schmidt über gestörte Eltern, gestörte Kinder, gestörte Sexszenen und sein neues Pubertätsdrama Crazy
Die Verfilmung des Bestsellers Crazy von Benjamin Lebert ist der dritte Film des 35-jährigen Hans-Christian Schmid über Jugendliche auf dem Weg zum Erwachsenwerden. In seinem Erstlingswerk Nach 5 im Urwald ging es um die Konflikte zwischen Eltern, die einst mit den Idealen der 68er flirteten und ihrer leicht rebellischen Tochter. 23 portraitierte die „Atomkraft-Nein-Danke“ Generation der frühen 80er Jahre. Nun in den 90ern ist die Suche nach dem Sinn des Lebens zielloser und völlig unpolitisch.
taz hamburg: Wie entgeht man der Gefahr, die eigene Jugend zu verklären?
Hans Christian Schmid: Ich glaube nicht, dass ich dazu neige, meine Jugend zu verklären. In meiner Jugend waren gewisse Dinge ganz in Ordnung, und manches war aber auch sehr schwer. In meinem Elternhaus war das sehr kompliziert zu dieser Zeit, zum Beispiel. Deswegen habe ich sicher auch eine Affinität zu gestörten Eltern- Beziehungen in diesen Geschichten, die ich da erzähle. In diesem Fall war es die Vorlage von Benjamin, die beides beinhaltet: wirklich tolle Momente der Freundschaft und des Zusammengehörens, wie auch Momente von großer Traurigkeit und Melancholie.
23 spielt in den 80er Jahren, das war eine sehr politisierte Generation. In den 90er Jahren scheint Politik fast überhaupt keine Rolle mehr zu spielen?
Ich kann mich natürlich beim Stoff immer nur auf Benjamins Vorlage beziehen. Da ist Politik einfach ausgeklammert. Es spielt einfach keine Rolle in diesem goldenen Käfig. Im Internat Neuseelen, da geht es um Familie, um Liebe, um Schule, ums Erwachsen werden. Wenn ich die jungen Schauspieler so beobachte und sehe, was, sie so machen, dann stelle ich auch fest, dass sie mit Politik sehr wenig am Hut haben.
Crazy wirkt sehr authentisch. Das liegt auch an den Dialogen. Wie stark haben Sie da mit ihren Darstellern oder Benjamin Lebert zusammengearbeitet?
Die erste Treatment-Fassung speist sich aus zwei Quellen, nämlich dem Roman und Benjamins Erzählungen. Dann hat er jeweils nur noch die einzelnen Schritte verfolgt und gelesen und kommentiert. Die Dialogarbeit erfolgte in erster Linie mit den Schauspielern. Das war die selbe Vorgehensweise wie bei Nach 5 im Urwald und 23, dass man die vorletzte Buchfassung mit den DarstellerInnen zusammen zwei Wochen lang liest und probt und bearbeitet. Das ist eigentlich nicht so ungewöhnlich. Im amerikanischen Film wird es einfach so gemacht. Im deutschen Film fehlt dazu vielleicht oft das Geld und die Zeit.
Wie inszeniert man Sexszenen mit Jugendlichen ohne Hemmschwellen zu verletzen und ohne falsche Prüderie?
Sexszenen mit Jugendlichen inszeniert man nicht. Robert und Julia haben mit mir schon einen Monat vorher über diese Szene gesprochen. Am Abend vorher haben wir alles genau durchgeprobt und trotzdem waren die am anderen Tag unglaublich nervös und zu nichts zu gebrauchen. Ich war bei der Szene nicht im Zimmer. Wir haben das mit zwei Kameras gedreht. Die hätten das kein zweites Mal gespielt. Als die Szene zuende war, kam bei Robert ein Heulkrampf, dann hat sich alles gelöst.
Interview: Jörg Taszman
siehe Filmübersicht
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen