„Liebe taz...“ Keine Gründe mehr für Bremen

Betr.: „Artikel über die Betreuungsschule Stichnathstraße“

Auch in der letzten Waller Beiratssitzung wurde das Thema „verlässliche Grundschule“ behandelt, und ich kam mir recht verlassen vor. Frau Ubben von der Behörde für Bildung und Wissenschaft und Frau Koppelmeier vom Ressort für Soziales berichteten über den Stand der Umsetzung an den Schulen des Stadtteils.

An sich hätte ich diese Idee einer verlässlichen Betreuung in der Schule begrüßt, über Inhalte und Mittel hätte ich mich sicherlich dennoch gestritten. Mir geht es jetzt gar nicht um diese Konzeptionslosigkeit, auch will ich hier nicht klagen über eine weitere Aufgabe für die Schulen, wo sie meines Erachtens eh schon zu schlecht ausgestattet sind, um „Lebensräume“ für die Kinder zu sein, wie Frau Ubben so schön als Utopie formulierte.

Nein, worüber ich mich wirklich aufrege, ist, dass ich meinen Schulanfänger in dieser Betreuungsform anmelden muss, denn ich habe nicht mehr die Wahl, ihn nur zum Hort anzumelden. Hort gibt–s nur noch ab 13 Uhr. Nun hat er vielleicht das Glück in einer Klasse zu sein, die schon direkt nach dem Unterricht von seiner Hortnerin sogar in den Horträumen betreut wird, dann bräuchte er nicht die Bezugsperson zu wechseln, nur die Gruppe.

Frau Adolf (Bremens Sozialsenatorin, d. Red.) meint, dies bedeute keine Verschlechterung. Das sehe ich anders, denn die Sozialpädagogin im bisherigen Hort betreut für die gesamte Zeit 20 Kinder, die auch nicht alle zur gleichen Zeit auf sie einstürmen. Demnächst hat sie für 1,5 Stunden 23,8 Erstklässler (so ist da der voraussichtliche Schlüssel) und dann 20 andere Nur-Hort-Kinder verschiedener Klassenstufen zu betreuen. Das bedeutet meines Erachtens für die Mitarbeiterin und auch für mein Kind eine Verschlechterung der Qualität der so genannten Beziehungsarbeit, Elternarbeit ... Ich werde prüfen, ob sich das in den Gebühren entsprechend niederschlägt. Wahrscheinlich nicht, denn pädagogische Gründe haben bei dieser „politisch“ genannten Entscheidung keine große Rolle gespielt, wohl aber finanzielle, im Wesentlichen aber bürokratische Gründe (bis 13 Uhr sind wir, danach seid Ihr zuständig – egal was für Kinder man und frau da vor sich hat).

Herr Kaiser von der SPD Walle meint, in der betroffenen Bevölkerung habe die Idee der verlässlichen Grundschule eine Zustimmung von 70 Prozent, denn so viele Kinder wurden angemeldet. Meine Zustimmung muss also schon mal herausgerechnet werden. Aber was machen denn die senatorischen Stellen und ihre politischen LeiterInnen mit den über 100-prozentigen Zustimmungen zum bisherigen Hortkonzept, zu dem die Nachfrage größer war als das Angebot? Sie setzen sich einfach über diese große Zufriedenheit der Eltern und Kinder hinweg!

Selbst Frau Eckler-von Gleich von Bündnis 90/Die Grünen hat Verständnis angesichts leerer Stadtkassen und enthält sich der Stimme, um nicht begrüßen zu müssen, was die CDU so gut findet. Wer, wenn nicht die politischen Parteien, soll merken, wohin die Reise geht? Ich kann auch nicht auf den politischen Mainstream bauen. Ich dachte, ich zählte dazu. Wer, wenn nicht ich, verheiratet, zwei Kinder, beide Ehepartner berufstätig, Hausbesitzerin, könnte sonst dazugehören, zu der Bevölkerungs-masse, um die Bremen sich so sorgt, dass sie es anderswo besser fände? Wie dumm wohl von mir, dass ich meine Berufsplanung mit der bislang guten städtischen Kinderbetreuung kalkuliert habe.

Der Zustand der Schulen ist schlecht genug, in den Gesamtschulen soll die Klassenstärke erhöht werden, um muttersprachlichen Unterricht müssen Eltern kämpfen, bestehende modellhafte Verbesserungen wie die vollen Halbtagsschulen werden gekürzt. Andererseits gibt–s neuerdings das Abi nach zwölf Jahren, erst mal als Versuch, wegen der großen Nachfrage sicher bald erweitert, denn wer will nicht ein Abi 1. Klasse haben?! Soziales kürzt Öffnungszeiten in den Kindergärten und erhöht die zu putzende Fläche pro Reinigungskraft. Die Liste ist endlos.

Ein solches Bremen wünsche ich nicht und werde ich nicht wählen. Es wird immer weniger attraktiv gegenüber dem Bundesland, in dem ich schon arbeite. Warum eigentlich nicht Niedersachsen zum Leben? Nennen Sie mir Gründe!

Ulrike Glingener