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„... noch sind Wege offen“

■ Die Situation der Kirchenmusik ist eigentlich dramatisch. Trotzdem veranstalten Bremer KirchenmusikerInnen jetzt erstmals ein Festival namens „Voice and Organ“

Ein Festival ganz besonderer Art beginnt am Pfingstmontag unter dem Titel „Voice and Organ“: die Bremer KirchenmusikerInnen haben sich zusammengetan und wollen in über fünfzehn Veranstaltungen beweisen, wieviel innovative und künstlerische Kreativität jenseits des gottesdientlichen Jobs in ihnen steckt. Da sind zum Beispiel die Ideen von Katja Zerbst (Oberneuland), deren programmatischer Einfallsreichtum schon länger auffällt: Die Organistin arbeitet zusammen mit der Tänzerin Gitta Barthel. Unter dem Titel „Klingende Körper“ bieten die beiden Werke von Karlheinz Stockhausen und John Cage (13.6., 20 Uhr, St. Stephani).

Das große Oratorium „... noch sind Wege offen“, das die Bremer Komponistin Sigrid Ernst für die Ostbremer Kantoreien geschrieben hat, also ausdrücklich für Laienchöre, gelangt in der Christuskirche in der Vahr zur Aufführung (19.6., 20 Uhr). Und sogar Uraufführungen wird es geben, gleich vier Stück von Hans Dieter Renken, der gerade die Nachfolge von Günter Koller in Bremen-Lesum angetreten hat. Renken hat Psalmen vertont, eine Hohelied-Motette, ein Magnificat (16.6., 20 Uhr, St. Ansgarii).

Bemerkenswert sind in der Geballtheit des Angebotes auch die traditionellen großen Oratorienaufführungen, wie zum Beispiel das Eröffnungskonzert am 12.6. um 20 Uhr in St. Ansgarii: Bachs großartige Motette „Der Geist hilft unserer Schwachheit auf“ wird da unter der Leitung von Wolfgang Mielke zu hören sein. Der Kammerchor St. Pauli unter der Leitung von Sigrid Bruch singt seltene Literatur: das „Requiem“ von Marcel Duruflé und „Vater unser“ von Leos Janacek (20.6., 20 Uhr, in St. Stephani).

In diesem Kontext ist auch die Kantorei St. Stephani zu nennen, die seit einigen Jahren neue Wege der Rezeption geht: Die MusikerInnen spielen (Dvoraks Messe in D-Dur am 22.6. um 19 Uhr im St. Petri Dom). Zu Gast sind am 14.6. um 20 Uhr im St. Petri Dom die Stadtkantorei Rotenburg und der Verdener Domchor, am 15.6. um 19 Uhr auch im St. Petri-Dom der Madrigalchor Kiel. Den Abschluss bildet am 25.6. um 20 Uhr im St. Petri Dom Wolfgang Helbich mit der Aufführung der Hohen Messe in h-Moll.

Neben vielen anderen Ideen, zum Beispiel der eines Konzertes „Orgel für Kids“ (Teil 1 am 13.6. um 16 Uhr, St. Hedwig und Teil 2 am 14.6. um 16 Uhr in St. Johann), der eines sicher kurzweiligen „Bremer Orgelsonntags“, an dem über einen Spaziergang am 18.6. einige Orgeln und einige Organisten hintereinander in Kurzkonzerten zu hören sind: Wolfgang Mielke um 12 Uhr in St. Ansgarii, Ansgar Müller-Nanninga um 13 Uhr in Unser Lieben Frauen, Wolfgang Baumgratz um 14 Uhr im Dom, Harald Vogel um 16 Uhr in St. Martini, Wilfried Langosz um 17 Uhr in St. Johann und Dirk Bergner um 18 Uhr in St. Pauli (dieses Konzept läuft auch in den Kirchen in Bremen Nord, in Bremen West, in Ost und Nordost).

Ob dieses Festival ein Bollwerk gegen die geplanten Kürzungen im Kirchenmusikbereich werden kann, ist derzeit nur zu hoffen. Zurzeit hat kein einziger Kirchenmusikstudent in Bremen Aussicht auf eine Stelle. Die Gemeinden entscheiden autonom, für welche Stellen sie ihr „Seelengeld“ ausgeben wollen. Für dieses Seelengeld werden Personalpunkte vergeben. Eine Gemeinde erhält 7.500 Mark pro Jahr und Punkt. Die Gemeinde St. Ansgarii zum Beispiel verfügt über 63 Personalpunkte. Vierzehn Punkte besetzt A-Kirchenmusiker Wolfgang Mielke. Doch die Zahl der Kirchenaustritte steigt weiter dramatisch. Genauso dramatisch ist deshalb auch die Situation im Kirchenmusikbereich. Doch zunächst gibt's erstmal nur Musik, Musik, Musik ... Ute Schalz-Laurenze

Programmhefte gibt es unter anderem in der Kirche Unser Lieben Frauen

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