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Menschen in echt

Die dreckigste Lache, der sexyste Augenaufschlag und die Promis von morgen: Das Berliner Videomagazin kanalB

Es ist ja so: Der Abend ist gestalterisch noch nicht so recht ausgereift. Man schlendert mal wieder ins Videodrom und weiß wieder nicht so genau, was man grad gucken möchte. Die Vorteile des Berliner Videomagazins kanalB liegen nun darin, dass es weniger kostet als die anderen Filme: 5 Mark. Dass es in der Jetztzeit spielt. Und vor allem, dass es nicht von irgendwelchen Profis, sondern von Menschen gemacht wird, die es auch in echt gibt.

Sie halten sich gern auf Friedrichshainer Dächern auf und antworten per E-Mail, wenn man sie nach was fragt. Die „Kerntruppe“ von kanalB also besteht aus Nicole Frank, Bärbel Schönafinger, dem „Sozialutopisten“ und Fernsehpostproduzenten Bodo Kant und Volker Moritz, der die Internetseite macht. „nicole kommt aus dem kinderheim, die übrigen von ‚restoel‘. restoel existiert seit 1995 als religiöser verband zur wiederherstellung der moral in der gesellschaft. restoel hat den instantfilm erfunden und trashrausch ins Leben gerufen. [. . .] unsere ideellen vorbilder: antiparanoia und trash. ansonsten: respect für ak kraak!“

Zwei ungefähr zwanzigminütige Ausgaben sind bereits erschienen. Die erste hieß „April“, die andere „Mai“. Es ist ein angenehmes Sammelsurium, moderiert von zwei Leuten auf einem Hausdach, die die Beiträge ansagen –Musikclips, mal mehr, mal weniger trashige Kurzfilme oder Reportagen. Die Frau hat Rastahaare, der Mann übersetzt ins Holländische.

Was sind echte Männer?, heißt eine Frage, und nette Männer, denen die Frage nach Männlichkeit vermutlich eher ein Unsinn ist, antworten mal mehr, mal weniger ironisch, was vielleicht gerade in einer Zeit, in der Harald Schmidt seinen Abschied von der Ironie erklärte, wieder angebracht ist.

„Echte Männer haben Probleme, sich zu organisieren“, sagt einer. In der Tat, in der Tat! Dann kommt ein lustiger Beitrag über einen „Explosion Art“-Künstler und eine weitere Folge der Serie: „Prominente von morgen auf den Dächern Berlins“. Und der Kurzfilm über den arbeitslosen R-Man Hans Thier, der die Revolution mit seinem Nachbarn macht, der sich in Computern und Internet gut auskennt.

Das gelingt dann auch prächtig. Darauf einen Schnaps. Dann kommt ein komischer Film aus Österreich vorbei, in dem einer in Urlaubslandschaft mit grünen Wiesen und Bergen ein Transparent entfaltet, auf dem „Fuck“ steht. Oder „Armleuchter“. Die dreckigste Lache und der sexyste Augenaufschlag werden gefeiert. Die Augenaufschläge könnte man sich noch stundenlang angucken. Manches an kanalB erinnert an die angenehmen Super-8-Abende, die das Frauenfilmkolletiv „FBI“ bis vor zwei Jahren zu veranstalten pflegte, anderes an lustig-trashige Videomagazine aus den 80ern.

KanalB ist also prima und auch im Internet sehr gelungen. Dort gibt es auch diverse kleine Reporterschnipsel vom 1. Mai in Hellersdorf, Kreuzberg und der heftigen Nacht vor der Roten Flora in Hamburg. Die Bilder bekommen immer etwas leicht Melancholisch-Experimentelles, wenn man sie auf den ganzen Bildschirm zieht. Und bei Netzverstopfung sagt eine komisch quäkende Stimme immer „blpmnhgn, blpmnhgn – see you later“. DETLEF KUHLBRODT

KanalB kostet 5 Mark. Infos unter www.kanalb.de

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