: Nette Enttäuschung
■ Jazz-Pianist Abdullah Ibrahim gab eine Kostprobe seiner momentanen Ratlosigkeit
In seiner Heimat Südafrika spielt Abdullah Ibrahim nicht selten vor leeren Rängen. In Europa und den USA hingegen füllt er die Hallen. Bremen machte bei diesem paradoxen Phänomen keine Ausnahme: Jede Menge Jazzfans strömten ins Congress Centrum, um jenen in seiner Heimat fast in Vergessenheit geratenen Musiker zu sehen, der seit seiner Flucht vor dem Apartheid-Regime in den 60er Jahren außerhalb Südafrikas als einer der Begründer eines Weltmusikprojektes gefeiert wurde, noch ehe der Begriff überhaupt geboren war.
Nicht als Solist, sondern als Bigband-Leader war Ibrahim nach Bremen gekommen. Mit der 17-köpfigen NDR-Bigband präsentierte er eine Auswahl jener Kompositionen, die seinen Ruf begründeten, südafrikanische Folklore mit Blues- und Jazztraditionen zu einem aufregenden Mix fusioniert zu haben. Doch von Aufregung war im Congress Centrum kaum was zu spüren: Die vom Komponisten Steve Gray neu arrangierten Ibrahim-Klassiker entpuppten sich über weite Strecken des Abends als routiniert vorgetragener traditioneller Bigbandsound, die den Nachweis schuldig blieben, den bekannten Melodien und Einflüssen Ibrahimscher Kompositionen einen neuen Aspekt abgewinnen zu können.
Material aus den 70er und 80er Jahren, darunter so bekannte Stücke wie „African Marketplace“, „Pule“ oder „Mindif“, das Titelstück aus dem Soundtrack zum gleichnamigen Spielfilm der Regisseurin Claire Denis, bildeten das Programm. Gray gelang dabei ein durchaus verzichtbares Kunststück: In seinen Arrangements suchte man die spezifische musikalische Fusion-Qualität der Ibrahimschen Kompositionen vergebens. Stattdessen changierte der Klang der NDR-Bigband zwischen dem „Sentimental Mood“ der glorreichen Bigband-Ära längst vergangener Tage und einem eher pittoresken denn substanziellen Spiel mit den charakteristischen Rhythmen des Cape-Town-Karnevals.
Ibrahim selbst begleitete das Orchester eher als moderierender En-tertainer denn als Pianist. Die wenigen Passagen, in denen sein typisch perkussives Spiel überhaupt zu hören war, zeichneten sich vor allem durch fehlende Brillanz aus. Was sich bereits auf vielen CD-Einspielungen der letzten Jahre andeutete, fand auf der Bühne seinen deutlichsten Ausdruck: Seit der Trennung von seinem kongenialen Saxophonisten Carlos Ward bewegt sich Ibrahim im musikalischen Niemandsland, pendelt zwischen uninspiriertem Selbstzitat und der bislang ergebnislosen Suche nach neuen Ausdrucksformen. Sein seit kurzem zu beobachtender Versuch, mit Orchestern neue Wege einzuschlagen, wirkt dabei nicht viel versprechend – wenn nicht eine dann doch brillante, groovig-pulsierende Interpretation des Klassikers "Black and brown Cherries“ den Abend noch aus der Belanglosigkeit gerissen hätte. Ein Hoffnungsschimmer. Immerhin. zott
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