Kim begrüßt Kim

Überraschender persönlicher Empfang beim ersten innerkoreanischen Gipfeltreffen in Pjöngjang

BERLIN taz ■ Das erste Gipfeltreffen der beiden koreanischen Staaten in der Geschichte des geteilten Landes hat gestern Vormittag in der nordkoreanischen Hauptstadt mit einer Überraschung begonnen. Nordkoreas öffentlichkeitsscheuer Machthaber Kim Jong-il begrüßte den südkoreanischen Präsidenten Kim Dae-jung persönlich auf dem Sunan-Flughafen von Pjöngjang. Das war zuvor nicht vereinbart gewesen. Die beiden Führer schüttelten sich die Hände und schritten eine Ehrengarde ab, bevor sie – wieder überraschend – gemeinsam in einer schwarzen Limousine die 55-minütige Fahrt zum Gästehaus der Regierung antraten.

Der 75-jährige Kim Dae-jung kam gar nicht mehr dazu, am Flughafen seine vorbereitete Rede zu halten. In dem von seinem Sprecher verteilten Text wollte Kim den Nordkoreanern sagen: „Wir sind ein Volk. Wir teilen das gleiche Schicksal. Lasst uns fest an den Händen halten. Ich liebe euch alle.“

Die Strecke zum Gästehaus säumten mehrere hunderttausend jubelnde Nordkoreaner. Kim Dae-jung war zuvor in Seoul ein ähnlich emotionaler Abschied bereitet worden. Vor seinem Abflug erklärte er: „Ich hoffe, das Treffen wird ein Wendepunkt im Bemühen, von der koreanischen Halbinsel die Kriegsdrohung zu nehmen und den alten Krieg zu beenden, damit alle 70 Millionen Koreaner im Süden und Norden im Frieden leben können.“ Kims Abreise hatte sich verzögert, weil Nordkorea in letzter Minute den auf drei Tage angesetzten Gipfel aus „technischen Gründen“ um 24 Stunden verschoben hatte.

Bei einem weiteren 27-minütigen Gespräch am Mittag habe Kim Dae-jung Nordkoreas kommunistischem Machthaber versichert, er hoffe auf ein Ende der Feinseligkeiten und eine neue Ära der Versöhnung beider Staaten, berichteten südkoreanische Journalisten. Vertreter internationaler Medien waren nicht zugelassen. Auch der 58-jährige Kim Jong-il habe den Willen Nordkoreas zur Aussöhnung betont. Beide Seiten vereinbarten die Einrichtung einer direkten Telefonverbindung zwischen den Staatschefs.Weitere Gespräche zwischen den beiden sind für heute geplant. Kim Dae-jung traf gestern auch noch das offizielle nordkoreanische Staatsoberhaupt Kim Yong-nam.

Im Mittelpunkt des ersten Gipfels seit der formalen Teilung des Landes 1948 und des Korea-Kriegs (1950 – 1953) stehen Fragen der Wirtschaftshilfe des Südens für den heruntergewirtschafteten Norden, mögliche Familienzusammenführungen und eine Reduzierung militärischer Spannungen. Formal befinden sich beide koreanische Staaten noch im Kriegszustand. Kim Dae-jung hatte in den letzten Tagen die Erwartungen an den Gipfel zu dämpfen versucht. Für ihn ist das Treffen an sich ein großer Erfolg. SVEN HANSEN