: Ein wahrlich unwitziges Piratenleben
■ Was der Gassenhauer in der Musik, ist der Pirat in der Geschichte. In der Hoffnung auf gute Kasse lockt das Bremer Übersee-Museum jetzt mit einer Ausstellung über „Die Herren der SRoderieben Meere“. Zu sehen sind auch Totenschädel – von Piraten
In einem finsteren Verlies, ganz hinten im Bremer Übersee-Museum, hockt eine supertraurige Gestalt. Peter Sievers. Als Videofigur wiederbelebt steckt der einstige norddeutsche Pirat, geboren um 1780 irgendwo zwischen Bremen und Hamburg, da bereits im Knast von Bombay, der letzten Station seines tristen Seeräuberlebens. In der indischen Hafenstadt erlag der verurteilte Pirat „den hygienischen Bedingungen“, wie Hartmut Roder sagt. Roder ist „der Macher“ der Ausstellung „Piraten. Die Herren der Sieben Meere“, die das Übersee-Museum gestern abend mit Reden, Schiffszwieback und Piratenköpfen aus Marzipan eröffnet hat.
Anhand der Lebensgeschichte des „hiesigen“ Peter Sievers räumt die Ausstellung anschaulich vor allem für ein kindliches Publikum mit allzu schönfärberischen Vorstellungen vom abenteuerlichen Piratenleben in Saus und Braus auf – ohne dabei aber die Grenzen des guten Geschmacks zu überschreiten. Es sei denn, jemand störte sich an den 50 menschlichen Schädeln, die in kleinen Vitrinen hinter rotem Verschlag – Marke: Achtung, hier floss Blut – das Ende der Besatzung von Seeräuber-Kapitän Franz Beme belegt. Wahrscheinlich jedenfalls. Dass es wirklich die Köpfe der 1539 in Bremen geköpften Besatzung von Beme sind, die Bremer Kaufleuten in der Wesermündung jahrelang zusetzten, „dafür stehen die Chancen pari-pari“, räumt Roder ein. Er hat die Schädel im Museumsmagazin wiedergefunden, wohin sie in den 50er Jahren nach Aufräumungsarbeiten am heutigen Rembertikreisel entdeckt worden waren. „Jedenfalls kann auch niemand belegen, dass die Schädel nicht von den Piraten stammen“, sagt Roder, und: „Dass es so schwierig werden würde, an echte Exponate zu kommen, damit hatten wir nicht gerechnet.“
Immerhin wird auch die eichene Truhe des legendären Seeräubers Störtebeker gezeigt. „Die angebliche Truhe“, schränkt Roder ein. Das Wesen der Piraterie sei eben auch, möglichst wenige eindeutige Spuren zu hinterlassen – um dem EntdecktÜbersee-Museumwerden vorzubeugen. So gesehen sei „der Investitionstrend Unter-Wasser-Archäologie“ ein Segen für PiratenforscherInnen. Erst durch ihn wurden beispielsweise Fund und Bergung des Piratenwracks „Whydah“ des legendären amerikanischen Piraten Blackbeard möglich, die 1718 vor North-Carolinas Küste gesunken war. Zahlreiche Ausstellungsstücke, vom Haken über den Wetzstein bis zur Kanonenkugel, stammen denn auch von ihr.
Wer seinen Piratenhunger bei den Herren der Meere noch nicht gestillt hat, kann im als Buch gestalteten umfassenden Katalog für günstige 19,80 Mark noch viel mehr erfahren. Darin kommen dann auch das legendäre Piratinnen-Paar Mary Read und Anne Bonney, die Irin Grace O'Malley oder die Seeräuberin Chzeng I Sao vor. ede
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen