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Vor dem Backsteinwahn

Zwei Ausstellungen über den Architekten C. F. Hansen  ■ Von Hajo Schiff

Nicht alles, was das Festival „Danmark til Hamborg“ vorführt, muss erst aus Dänemark geholt werden, manches Große, wie die Architektur in Altona und an der Elbchaussee, ist schon seit 200 Jahren hier. Zwei Ausstellungen rufen jetzt nachdrücklich deren Schöpfer, den Landbaumeister in Holstein und königlich dänischen Oberbaudirektor Christian Frederik Hansen in Erinnerung.

„Hansestadt im Hansen-Rausch“ titelte in typischer Übertreibungssucht der Spiegel schon im Vorwege über Prunkbuch und Symposion sowie über die Ausstellungen im Altonaer Museum und im vorzüglich dafür geeigneten Jenisch-Haus. Letzteres, im gleichnamigen Park gelegenes Senatoren-Palais, ist zwar ein köstlich weißleuchtendes Beispiel jener herrschaftlichen Villenarchitektur des Klassizismus, es ist aber gerade nicht von Hansen, sondern wurde ab 1831 von Franz Gustav Forsmann erbaut. Den aber hatte ein anderer Friedrich, der geheime Oberbaurat in der obersten preußischen Baubehörde, Karl Friedrich Schinkel, beraten. Und mit keinem geringeren ist auch sein dänischer Kollege Hansen am besten zu vergleichen.

Carl Frederik Hansen war der Sohn eines Schumachers, seine Mutter aber war die Amme des späteren Königs Christian VII. Alle Geschwister hatten enge Beziehungen zum Hof in Kopenhagen, doch Carl Frederik sollte am erfolgreichsten werden. Auf seiner für Künstler obligatorischen, für damalige Verhältnisse mit zwei Jahren nicht allzu langen Italienreise beeindruckte ihn vor allem das römische Pantheon, dazu schulte er sich an Palladios Villen auf der venezianischen „terra ferma“. 1785 trat der hochbegabte Architekt seine Stelle als Landbaumeister in Altona an. Das war die nach Kopenhagen zweitgrößte Stadt des dänischen Gesamtstaates, der damals von Holstein bis zum Nordkap reichte - und selbst auf die Hoheit über Hamburg hatte der dänische König de jure überhaupt erst im Gottorfer Vergleich von 1768 verzichtet.

Landbaumeister Hansen machte die gewöhnliche Arbeit, reparierte Brücken und dergleichen und wartete lange vergeblich auf repräsentative staatliche Bauaufträge. Aber für private Auftraggeber baute er zurückhaltend vornehme Stadthäuser an der Altonaer Prunkmeile Palmaille und für die schwerreichen Seekaufleute aus Hamburg die stilprägend antikisierend-palladianischen Landhäuser mit ihren Säulenportikos und schlichten Loggien auf den Hügeln an der Elbe. Sie haben einen nicht unwesentlichen Anteil daran, dass bis zum neuerlichen Backsteinrevival vor allem hell verputzte Bauten Hamburg zu einer weißen Stadt machten. Über 70 Originalzeichnungen künden in der Ausstellung von den 21 in unserer Gegend errichteten Bauwerken. Von ihnen sind nach Umbauten, Abrissen und Kriegszerstörungen immerhin elf erhalten, allerdings keines davon im Originalzustand. Das sogenannte Elbschlösschen auf dem Gelände der ehemaligen Elbschlossbrauerei ist dabei trotz seiner wunderbaren Rotunde zur Zeit leerstehend und durch unklare Pläne verschiedener Investoren sogar akut gefährdet.

Eine große Gefahr hat Hansen mehrfach beeinflusst: Feuer. 1794 brennt das königliche Residenzschloss Christiansborg ab, ein Jahr später die Kopenhagener Altstadt und das Rathaus. Hansen wird mit dem Wiederaufbau beauftragt. 1804 zieht er in die dänische Hauptstadt um. 1807 bombardieren englische Kriegsschiffe Kopenhagen und wieder sind Hansens Pläne gefragt: diesmal für die Frauenkirche, aus deren restlichen gotischen Mauern er einen der besten klassizistischen Kirchentempel Europas formt. Der Schlosskirche gibt er beim Wiederaufbau eine dem Pantheon ähnliche Kuppel. Sie brennt durch eine Feuerwerksrakete erneut ab, und zwar 1992, und ist erst seit drei Jahren wieder perfekt res-tauriert.

Wie weitgehend Hansen das Gesicht der dänischen Hauptstadt geprägt hat, zeigt die zweite Ausstellung im Altonaer Museum anhand von Fotos, Modellen und teils metergroßen Zeichnungen des Architekten. Der starb 1845 im Alter von 89 Jahren, nachdem er noch 22 Jahre lang der Direktor der königlichen Kunstakademie gewesen war. Zu dieser Zeit galt sein sparsamer, aufgeklärter Klassizismus allerdings bereits als überholt und tro-cken akademisch, eine positive Neubewertung setzt ihn seit den dreißiger Jahren des 20. Jahrhunderts in sein Recht als einen der größten Architekten seiner Zeit.

beide Ausstellungen noch bis zum 24. 9.: Di- So, 10-18 Uhr, C.F. Hansen in Kopenhagen, Altonaer Museum, Museumstraße 23, Ausstellungsbroschüre 8 Mark; Di-So, 11-18 Uhr, C. F. Hansen in Hamburg, Altona und den Elbvororten, Jenisch Haus, Katalogbuch im Deutschen Kunstverlag, DM 38 (im Buchhandel DM 78) Monographie C. F. Hansen, Deutscher Kunstverlag, DM 298

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