Abschiebegegner an die Luft gesetzt

Auf der Jahreshauptversammlung der Lufthansa AG protestieren Menschenrechtsgruppen gegen die Beteiligung des Unternehmens an Abschiebungen. Kritische Aktionäre wollen den Vorstand nicht entlasten. Fluglinie weist Kritik zurück

von DIETMAR KAMMERER

Auf der Jahreshauptversammlung der Deutschen Lufthansa AG in Berlin haben gestern Menschenrechtsgruppen gegen die Praxis des Unternehmens protestiert, mehrere tausend Abschiebungen pro Jahr durchzuführen.

Mitglieder der Kampagne „Kein Mensch ist illegal“ stellten vor dem Eingang zum Messegebäude des ICC eine Deportation nach. Zwei polizeigrün gekleidete „Beamte“ zwängten dazu einen „Abgeschobenen“ in einen Rollstuhl und fesselten ihn mit Klebeband. Sie setzten ihm einen Motorradhelm auf und drückten seinen Kopf gewaltsam nach unten. Mit Flugblättern versuchte die Kampagne, die Aktionäre zu informieren.

Etwa 15 Aktivisten gelangten in den Tagungssaal, wo der Lufthansa-Aufsichtsratsvorsitzende Klaus Schlede gerade die Versammlung eröffnet hatte. Sie entrollten Transparente und riefen „Kein Mensch ist illegal“ und „Bleiberecht für alle“. Dafür ernteten sie Buhrufe von den versammelten Wertpapierbesitzern. Einige Aktionäre griffen die Aktivisten an, noch bevor der hauseigene Ordnungsdienst zur Stelle war und die Abschiebungsgegner unter allgemeinem Beifall aus der Halle abschob. Dazu kommentierte Schlede, er werde die Hauptversammlung „nicht als politisches Debattierforum missbrauchen lassen“.

1998 wurden auf dem Luftwege 34.756 Asylsuchende aus Deutschland abgeschoben. Die Hälfte davon, so schätzt Martin Rapp von „Kein Mensch ist illegal“, auf Flügen der Lufthansa. Kein Wunder, dass der Konzern zur Zielscheibe des Protestes geworden ist. Der Dachverband der Kritischen Aktionäre, die etwa 150 Lufthansa-Aktionäre vertreten, hat den Antrag gestellt, Vorstand und Aufsichtsrat von Deutschlands größtem Luftfahrtunternehmen nicht zu entlasten. Der Antrag wurde aber erwartungsgemäß abgelehnt.

Der Lufthansa-Vorstand wies in einer Erklärung die Kritik zurück. Schon nach dem Tod eines Flüchtlings im vergangenen Jahr an Bord einer Lufthansa-Maschine habe der Konzern erklärt, dass künftig „keine so genannten Deportees mehr akzeptiert werden, die Widerstand gegen die Abschiebung leisten“. Zudem verweist der Konzern auf seine Beförderungspflicht.

„Eine Fehlinformation“ nennt dies Gisela Seidler, Expertin für Ausländerrecht und Mitglied von „Kein Mensch ist illegal“. „Es gab nie eine entsprechende Anweisung an die Piloten.“ Immer noch kann und muss der Pilot selbst entscheiden, welche Passagiere er an Bord lässt und welche nicht. Der Verweis auf die Beförderungspflicht sei ebenso scheinheilig, so Seidler. Unter Verweis auf ethische Bedenken oder wirtschaftliche Nachteile könne der Konzern sich von der Verpflichtung, Abschiebungen durchzuführen, befreien lassen. Eine Beförderungspflicht für eine Person, die sich gegen ihren Willen an Bord befindet, sei ohnehin nicht gegeben. Zudem sei die Nichtbeförderung für das Luftfahrtunternehmen nicht einmal eine Ordnungswidrigkeit. „Sie müssten es nur einmal darauf ankommen lassen.“