spd im dreikampf
: Der Bauch regiert die Genossen

Ist die Berliner SPD noch zu retten? Man ist geneigt, diese Frage mit Nein zu beantworten. Die 22,4-Prozent-Partei leistet sich einen ebenso überflüssigen wie schädlichen Machtkampf um den Parteivorsitz. Bis zum Parteitag am 15. Juli wird der Dreikampf um die Parteiführung das beherrschende SPD-Thema sein.

Kommentar von DOROTHEE WINDEN

Die Partei erwartet von ihrem Vorsitzenden nichts Geringeres als Wunder. Ein halbes Jahr nach der herben Wahlschlappe vom vergangenen Herbst soll alles schon wieder in Butter sein. Das ist schlichtweg unrealistisch. Zwei Jahre wird ein systematischer Wiederaufbau der Partei benötigen. Doch so viel Zeit mag die Basis ihrem Parteichef Peter Strieder, der vor 17 Monaten noch den Status eines Hoffnungsträgers hatte, nicht geben. Der Ärger über Strieders Führungsstil ist sicherlich berechtigt. Denn Strieder bezieht die Parteibasis nicht ein, sondern hat sie auf die Zuschauerränge verwiesen. Die Folge ist eine flächendeckende Demotivation. Doch was ist damit gewonnen, jetzt hektisch das Personal auszutauschen?

Die Partei will geliebt werden und Strieder hat dieses Bedürfnis missachtet, so erklären Genossen den Sturzflug des Parteichefs. Das mutet seltsam an: In Artikel 121 Grundgesetz steht nichts von Liebe. Als Aufgabe einer politischen Partei ist dort genannt: „Die Parteien wirken bei der politischen Willensbildung des Volkes mit.“ Eine Volkspartei, die ihr Führungspersonal danach aussucht, wer mehr Streicheleinheiten für die sozialdemokratische Seele verteilt, hat ihre Politikfähigkeit verloren.

Auch das Hauptargument der Strieder-Kritiker ist nicht überzeugend. Sie werfen ihm vor, er könne in der Doppelfunktion als Parteichef und Senator die Partei nicht als eigenständige Kraft profilieren. Nach diesen Maßstäben hätte Strieder im Januar 1999 erst gar nicht zum Parteichef gewählt werden dürfen. Denn schon damals war er Senator und wurde vom Parteitag im Dezember 1999 auch erneut für ein Senatorenamt nominiert.

Ein Parteichef, der nicht durch einen Senatsposten in die große Koalition eingebunden ist, hätte zwar andere Möglichkeiten des Rollenspiels. Er könnte schärfer, pointierter kritisieren. Doch das ist weder dem braven Borghorst noch dem Neuling Grönebaum wirklich zuzutrauen.

Wer politisch ernst genommen werden will, kann nicht nur nach dem Bauch entscheiden. Die Partei muss sich endlich der Realität der großen Koalition stellen.