Die LeserInnendiskussion um den Atomausstiegskonsens geht weiter:
: Noch nicht einmal Halbzeit

Noch nicht einmal Halbzeit bei der unverantwortlichen Nutzung der Atomenergie. Das heißt noch 30 Jahre atomares Super-GAU-Risiko und Atommüllproduktion ohne gesicherte Entsorgung. Das ist ein „Ausstieg“, der nur den betroffenen Menschen an den Standorten der Atomkraftwerke und darüber hinaus weh tut. Die Wirtschaft jubelt, das zeigen nicht zuletzt Aktienkurse der Atomkonzerne, die am Tag nach dem so genannten Ausstiegsbeschluss gegen den allgemeinen Trend an diesem Tag gestiegen sind.

In der Regierungszeit von Rot-Grün wird kein (!) Atomkraftwerk stillgelegt, in der nächsten Wahlperiode – wenn es dann Rot-Grün noch gibt – sind es nur die beiden Uraltmeiler Obrigheim und Stade. Biblis übersteht selbst diese Legislaturperiode noch. Der Leukämiereaktor Krümmel soll noch fast 20 Jahre laufen. Unser „örtlicher Reaktor“ Ohu 2 wahrscheinlich bis weit in die Zwanzigerjahre des 21. Jahrhunderts. Es wurde nicht ein einziges verbindliches Abschaltdatum festgelegt. [...] Wer es ernst meint mit dem Ausstieg und für wen die Gefahren der Atomenergie und die ungelöste Entsorgung nicht nur Argumente im Wahlkampf waren, der darf dieser Vereinbarung nicht zustimmen.

THOMAS VON TAEUFFENBACH, 1. Vorsitzender des Bürgerforum

gegen Atomkraftwerke Landshut

Raus aus der Regierung und rein in den außerparlamentarischen Widerstand – den es ja nach wie vor gibt, wie die vielen Bürgerinitiativen auch hier im Münsterland beweisen! Zwar kann man sich dort persönlich nicht profilieren und man kommt auch nicht so oft in den Medien vor, aber im Widerstand tut man das, was man persönlich auch will, ohne sich zu verbiegen und ständig nachzuplappern, was einem so genannte Bundespolitiker vorgaukeln. [...] WILLI HESTERS, Wettringen

Es gab Zeiten, da standen die Grünen bei dem wichtigen Kampf um die Begriffshoheit auf der „richtigen“ Seite. Da wurde die Atomkraft auch so genannt und nicht „Kernenergie“. Dieses von der Industrie bevorzugte Wort sollte weniger Angst machen.

Jetzt scheinen die angeblichen UmweltschützerInnen auf der anderen Seite zu arbeiten. Der Weiterbetrieb der deutschen AKWs bis zum Jahr 2029, das jahrelange Abarbeiten aller Verträge mit den Wiederaufarbeitungsanlagen, die immer wahrscheinlicher werdende Inbetriebahme des Endlagers Gorleben und neue Castor-Transporte sollen jetzt „Atomausstieg“ genannt werden. Liebe Grüne: Für dieses Zementieren von Industrieinteressen findet bitte ein anderes Wort und missbraucht nicht das andere, damit die Leute, die immer noch für den „Atomausstieg“ kämpfen, nicht mit dieser Wirtschaftspolitik identifiziert werden. [...]

THORBEN BECKER, Freiburg

Wesentlich mehr ist nicht zu erreichen. Lieber den Spatz in der Hand ... Vor fünf Jahren hätte niemand gedacht, dass solch eine Übereinkunft möglich ist. Sich gegen alles sperren und nichts zu erreichen ist noch schlechter. ULRICH BECKER, Haunsheim

[...] Die Grünen regieren eben mit den Sozialdemokraten zusammen. Dass Enttäuschung bei bestimmten Interessenverbänden vorherrscht, ist in gewissen Maßen nachvollziehbar. Aber zu glauben, dass sich durch grüne Regierungsverantwortung mit einem Stimmenanteil von weit unter zehn Prozent gesellschaftliche Verhältnisse umkehren lassen, ist ja wohl mehr als blauäugig. [...]

PEER ROSENTHAL, Oldenburg

Wenn die Grünen auch nur einigermaßen Rückgrat hätten, würden sie substanzielle Nachbesserungen verlangen und damit auch die Koalitionsfrage verknüpfen. Ich schätze aber, dass sie den ausgehandelten „Kompromiss“ – der ja auch ihrem Gewicht in der Regierung gar nicht entspricht, mal abgesehen davon, dass er den Gefahren der Atomenergie kaum Rechnung trägt – absegnen und sich damit noch unglaubwürdiger machen werden.

HEINZ ECKEL, Berlin

[...] Beim Wollen verantwortungsbewusster, nachhaltiger Politik hätte man doch beispielsweise auf Strom aus Kernenergie europaweit eine zusätzliche Ökosteuer zugunsten der Förderung regenerativer Energien anstreben können. Die Bemühungen unseres Bundesfinanzministers zur angeblichen Haushaltssanierung in allen Ehren, aber er kratzt doch nur zaghaft am vermutlich unlösbaren Problem: Zu Lasten folgender Generationen machen wir immer mehr Schulden und üben dabei immer weniger wertschöpfende Tätigkeiten aus. [...] Aus meiner Sicht ist der „Konsens“ vernünftig, um wenigstens ein Minimum an Planungssicherheit zu gewinnen. Aber er darf noch keine Endlösung sein, sofern wir uns wirklich Gedanken um eine verantwortbare Zukunft machen. HELMUT KOWALEWSKY, Berlin

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