: Ertappt: Sozis flirten mit Sozialisten
SPD-Fraktionsschef Wowereit will öffentlich mit PDS-Star Gysi über gemeinsame Optionen auf die Zukunft diskutieren. Nach den Bezirksfusionen scheint auf kommunaler Ebene konkrete Zusammenarbeit möglich. Sie gilt als Test für die Landespolitik
von RALPH BOLLMANN
Zum ersten Mal sucht ein hochrangiger Berliner SPD-Politiker den öffentlichen Dialog mit der PDS. Auf Einladung der Kreuzberger SPD-Basis wird Fraktionschef Klaus Wowereit am 4. Juli dem Beispiel seines CDU-Kollegen Klaus Landowsky folgen und mit PDS-Star Gregor Gysi debattieren. Ohne das Feigenblatt eines „Sachthemas“ steht die Frage aller Fragen ganz offen auf der Tagesordnung: „SPD-PDS: Option für die Zukunft?“
Wowereit sagte der taz, er habe den Kreuzberger Parteifreunden seine Teilnahme „selbstverständlich gerne“ zugesagt. Es sei „an der Zeit, dass wir uns dem Dialog stellen“. Er halte es für einen „normalen Vorgang“, dass eine solche Diskussion stattfinde: „Ich habe damit kein Problem. Wenn andere eines kriegen, dann werden wir das abwarten.“ Schon seit einiger Zeit will der SPD-Landesverband verstärkt die „inhaltliche Auseinandersetzung“ mit der PDS suchen, wie es Parteisprecherin Anja Sprogies formuliert. Bislang achtete die Partei allerdings peinlich darauf, dabei sozusagen nicht zu inhalieren. So war die Öffentlichkeit noch ausgeschlossen, als PDS-Chef Lothar Bisky im Frühjahr vor der Zehlendorfer SPD-Basis unter anderem mit dem Parteilinken Klaus-Uwe Benneter diskutierte. Zu den Veranstaltungen des Forums „Einheit der Stadt“ werden vorsichtshalber gar keine PDS-Politiker eingeladen.
Seit der Wahlniederlage vom vergangenen Herbst ist in der Berliner SPD eine Debatte um den strategischen Umgang mit der PDS ins Rollen gekommen. Der gescheiterte Spitzenkandidat Walter Momper und Parteivize Hermann Borghorst sprachen sich für einen offensiven Dialog aus. Beschleunigt wurde das Umdenken durch entsprechende Vorstöße des CDU-Fraktionschefs Landowsky, der sich mit Gysi im Frühjahr zu einem gemeinsamen Interview traf.
Für die SPD bekommt die PDS-Frage schon bald praktische Bedeutung. In den Ost-West-Fusionsbezirken Mitte-Tiergarten-Wedding und Kreuzberg-Friedrichshain stehen die Sozialdemokraten bei der anstehenden Neuwahl des Bezirksamts vor der Frage, ob sie mit der PDS gemeinsame Sache machen. „Wir sind nach vielen Seiten offen“, sagte der Kreuzberger SPD-Kreisvorsitzende Stefan Zackenfels. Konkrete Verhandlungen soll es allerdings erst geben, wenn die anderen Parteien im September Personalvorschläge für die Posten der Stadträte und des Bürgermeisters vorlegen.
Die anstehende Neuwahl des Bezirksamts ist der Grund dafür, dass die Initiative für das Gipfeltreffen aus Kreuzberg kam. In dieser Frage will der SPD-Landesverband den örtlichen Parteifreunden freie Hand lassen. „Wir mischen uns nicht in die Bezirke ein“, sagte die Parteisprecherin. Wird die kommunale Zusammenarbeit mit der PDS ein Erfolg, so hoffen die Befürworter der Kooperation, dann eröffnen sich auch Perspektiven für ein Bündnis auf Landesebene.
Wowereit, der ein solches Bündnis ursprünglich auch über die laufende Wahlperiode hinaus strikt abgelehnt hatte, schlug zuletzt moderatere Töne an. Den Gedanken, sich mit Hilfe der PDS aus der Umklammerung durch die CDU zu befreien, bezeichnete der Fraktionschef in einem taz-Interview als „strategisch verständlichen Ansatz“. Das sei „sicher ein Thema, das wir diskutieren müssen“.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen