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die anderen

Zur Entschlüsselung des menschlichen Erbgutes meint die italienische La Repubblica: 100.000 Jahre nach seinen ersten aufrechten Schritten auf der Erde ist es dem alten weisen Affen gelungen, das Buch seines Schöpfers zu lesen, murmelt Bill Clinton, ergriffen wie wir alle. Die Menschheit hat den Atlas ihrer eigenen Existenz und damit ihres Todes vervollständigt, das menschliche Genom, und kann jetzt beginnen, es zu entziffern, um die Fehler, die Krankheiten, zu korrigieren. Am Ende der Reise hat der weise Affe das göttliche und poetische Geheimnis seiner Anfänge gefunden. So offenkundig und doch so schwierig zu akzeptieren: Wir sind alle genetisch identisch. Leider wird morgen in den Krankenhäusern nichts Revolutionäres geschehen. Die angekündigte „Gebrauchsanweisung“ für das Leben ist keine neue Medizin, keine Wundertherapie, kein Lebenselixir.

Zum selben Thema schreibt Le Monde: Der allgemeine Grundgedanke eines Patents, der besagte, dass man Entdeckung von Erfindung trennen sollte, wird heute von den Durchbrüchen der Genetik wie auch der Molekularbiologie in Frage gestellt. Mangels eines schnellen und soliden internationalen Abkommens, das zugleich politisch, wissenschaftlich und industriell ist, werden die menschlichen, tierischen und pflanzlichen Genome bald an den Meistbietenden versteigert werden.

Die Süddeutsche Zeitung verlangt gesetzliche Regeln für die Genforschung: Die Chancen der Genomforschung für die Medizin sind sehr viel größer als die Risiken, unter einer Voraussetzung: Die Nutzung genetischer Daten muss einen klaren gesetzlichen Rahmen erhalten. Patente müssen ebenso verhindert werden wie die genetische Diskriminierung der Bürger. Auch wenn die Forscher noch Jahre brauchen werden, um den Text des Erbguts zu ergänzen: Die Entscheidungen, wie man mit genetischem Wissen umgeht, müssen vorher getroffen werden.

Auch die Frankfurter Rundschau beschäftigt sich mit dem Genom: Sicher, zur Freude gibt es guten Grund, denn eine außergewöhnliche internationale Forschungsarbeit hat ein wichtiges Etappenziel erreicht. Zur Feier gehört aber auch Nachdenklichkeit. Gerade in der Politik. Denn aus den Genen droht auch Gefahr: Etwa dass Träger von „schlechten“ Genen aus dem Leben selektiert, von einer bestimmten Arbeit fern gehalten, von Versicherungen ausgeschlossen und von gesunden zu Noch-nicht-Kranken werden. Die eigentliche Arbeit fängt erst an. Für Wissenschaft wie Gesellschaft.

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