Kirche entzieht Kita den Segen

■ Eltern empört, weil Kindertagesstätte Simeonkirche schließt. Gemeinde muss sparen

Lucas hat zwei Monate lang ins Bett gemacht, als er erfahren hat, dass sein Kindergarten geschlossen werden soll. Und er hat Unterschriften gesammelt. „Er hat zu den Leuten gesagt: Hier musst Du unterschreiben, die wollen meinen Kindergarten zumachen, und wo soll ich dann hin?“, erzählt Susanne Boltze. Die Mutter des Vierjährigen, Elternvertreterin der Kindertagesstätte Simeonkirche, kämpft dagegen, dass die Kita Ende Juli 2002 dichtmacht. Das nämlich hat der Kirchenvorstand der Hammer Gemeinde beschlossen.

Denn es fehlt Geld: „Wir müssen versuchen, unser Defizit auf die verträglichste Weise abzubauen“, begründet Renate Billig vom Kirchenvorstand. Sonst würde der Kirchenkreis Alt-Hamburg die Gemeinde zwangsverwalten, und die könnte nicht mehr eigenständig entscheiden. Vier der fünf Hammer Gemeinden haben aus finanziellen Gründen fusioniert und haben jetzt noch drei Kitas. „Die kosten 465.000 Mark im Jahr. Das können wir auf Dauer nicht bezahlen“, sagt Billig. Deshalb habe man sich entschieden, die mit 66 Plätzen kleinste zu schließen.

„Anders als bei freien Trägern zahlt die Stadt bei kirchlichen Kitas nur einen Anteil. Die Kirche muss 24 Prozent der Ausgaben selber tragen“. Das werde bei sinkenden Einnahmen aus Kirchensteuern immer schwieriger. „Wenn die Stadt den Anteil nicht erhöht, wird die Kita Simeonkirche nicht die letzte sein, die geschlossen wird“, sagt Susanne Raubold, Sprecherin des Kirchenkreises Alt-Hamburg, zu dem auch Hamm gehört.

Der Ton zwischen Eltern und Kirchenvorstand wird schärfer. Die Eltern fühlen sich durch die plötzliche Entscheidung hintergangen, besonders weil die Gemeinde trotz Sparzwangs gerade einen Jugenddiakon einstellt. „Die Stelle kostet die Gemeinde etwa so viel wie unsere Kindertagesstätte“, schätzt der Elternverein. Außerdem könne man in der Altenarbeit mehr Ehrenamtliche beschäftigen und bei der Kirchenmusik reduzieren.

Das sind Vorschläge, die Renate Billig empören: „Wir brauchen unbedingt einen Jugenddiakon, hier werden 150 Jugendliche betreut.“ Musikarbeit sei auch Arbeit mit Jugendlichen, und viele alte Menschen seien einsam und bedürften der Hilfe der Kirche. „Der Kirchenvorstand trägt die Verantwortung für die gesamte Gemeinde“, sagt Billig. Außerdem würde kein Kind herausgeworfen. „Die anderen beiden Kitas nehmen alle Kinder auf.“

Die seien für Eltern ohne Auto allerdings schwieriger zu erreichen, kritisiert Elternvertreterin Susanne Boltze. Wenn es so weit ist, geht Lucas vermutlich schon zu Schule: „Aber es geht um die Kinder, die danach kommen“.

Sandra Wilsdorf