: Einmal in die Wüste und wieder zurück
Drei Akkorde, der Spirit des Soul und nichts als die Wahrheit: Die Britpop-Band Embrace spielt im Columbia Fritz
Auf der Bühne wirken Embrace immer etwas entrückt. Im Rampenlicht bewegen sich die Brüder Danny und Richard McNamara, als befänden sie sich in einer anderen, einfacheren Welt. Ihre Konzerte bieten dem Publikum keine visuellen Fixpunkte. Würde man sie auf den an sich selbst gesetzten Anspruch, eine richtig große Rockband zu sein, festnageln, gerieten sie sehr schnell in Erklärungsnot.
Aber die Zeiten, in denen Embrace noch größer als Oasis sein wollten, liegen einige Zeit zurück. Inzwischen sind sie schon wieder einmal in die Wüste geschickt und zurückgeholt worden. 1998 fiel die Band dem typisch britischen Größenwahn anheim, nicht zuletzt, weil sie von der einheimischen Presse schon im Demo-Status zur neuen Britpop-Hoffnung erklärt wurde. Zwar erlangte ihr Debüt, „The Good Will Out“, bereits am Veröffentlichungstag Goldstatus, ihre Großmäuligkeit brachte ihnen im Gegenzug jedoch viel Häme ein, weil eben doch nicht alles Gold ist, was Gold ist. Das Album litt sehr unter der überambitionierten Produktion, viele gute Ideen wurden von bombastischen Streicherarrangements regelrecht zugesuppt.
Die Weeklies schwenkten dann völlig um und gingen mit Embrace unverdient hart ins Gericht, und sie tauchten wieder in der Versenkung ab. Ihre Rückkehr vollzog sich Anfang dieses Jahres in aller Bescheidenheit. Mit „Drawn From Memory“ zeigten sich Embrace geläutert, keine Spur mehr von den zappelnden „Westentaschen-Manilows“, wie man sie in ihrer Heimat nannte.
Ihre experimentellen Aufnahme-Sessions wurden im Studio gnadenlos auf die Essenz runterproduziert: Runter mit dem ganzen Schmock und Pathos. Laut Danny „Drei Akkorde und nichts als die Wahrheit!“ Damit hatten Embrace ein Patentrezept gefunden. Die schönsten Wahrheiten schimmern auf „Drawn From Memory“ gerade aus den Songs, die sich ganz allein aus sich selbst heraus aufbauen, die nicht viel mehr benötigen als Offenheit und Aufrichtigkeit. „The Love It Takes“ oder „Liars Tears“ knüpfen die Bande mit dem Publikum und suchen nach einem Gemeinschaftsgefühl, wie man es in den 60ern weniger bei den Beatles oder The Who gefunden hat, sondern paradoxerweise in der kalten industriellen Einöde der Motorcity Detroit.
Im Frühjahr sagten Embrace ihre Konzerte in Österreich ab: Wie doch nahezu jeder weiße Musiker seien sie von schwarzen Musikern beeinflusst und ihr großer Respekt verbiete es ihnen damit einfach, in Haiderland aufzutreten. Bereits im Kindesalter waren die Brüder McNamara über die Plattensammlung ihres Vaters erstmals mit der Musik von Al Green, Marvin Gaye und Otis Redding in Berührung gekommen. Für „Drawn From Memory“ besannen sie sich wieder auf ihre früheste musikalische Sozialisation. Und nicht nur Titel wie die ihrer Hits „You’re Not Alone“, „Save Me“ oder „The Love It Takes“ klingen nach den positivistischen Botschaften eines Al Green, auch ihre Texte versprühen ein missionarisches Sendungsbewusstsein bar jeglicher Ironie.
Alles wird gut – man muss nur an sich glauben. Bislang fehlte Embrace allerdings die nötige Reife, dieses Soul-Verständnis auch dramaturgisch zu inszenieren. Anderseits zeigt „Drawn From Memory“, wie weit sie noch immer von den Stadionrock-Qualitäten selbst nur eines Gallaghers entfernt sind. Und das ist ganz gut so! ANDREAS BUSCHE
Ab 20.30 Uhr, Columbia Fritz,Columbiadamm 8–11, Tempelhof
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