Method-Acting im Mutantenstadl

Wenn sich amerikanische Mainstream-Filme für Minderheiten einsetzen, kann es ziemlich krampfig zugehen. In „Makellos“ entdeckt Joel Schumacher sein Herz für Transen und bekehrt einen reaktionären Robert De Niro zum Tuntenfreund

von BIRGIT GLOMBITZA

Die alte Dame mit dem flammend roten Lippenstift kennt sich aus. Als ein Trupp fröhlicher Transen vor ihr in den Aufzug steigt, erklärt sie ihrer ahnungslosen Freundin im Rollstuhl mit Kennermiene: „Sie sind so geboren, weißt du. Die haben irgendetwas im Hals.“ Dann nicken beide und lächeln milde.

Mitleidig, gerührt und mit dem Schmunzeln der Barmherzigkeit. So bestaunt das Kino des Joel Schumacher das Unbekannte schlechthin. Eine Art drittes Geschlecht, ein Mutantenstadl, in dem statt Clownsnasen und Partyhütchen künstliche Brüste und bonbonbunte Fummel getragen werden. Trotz des unbedingten PC-Willens von Drehbuch und Regie (beide Joel Schumacher) bleiben die Transsexuellen in dieser zoologisch-redlichen Betrachtung eine Albernheit, ein Schwips der Evolution, der der Vermehrung der Art nicht gerade zuträglich ist. Schwule und Transen stellen hier ein fotogenes, buntes Völkchen vor, und zugleich ein pflegebedürftiges Personal, wie man es aus „Rain Man“, „Zeit des Erwachens“ oder „Good Will Hunting“ kennt. Dass sich Transen mit Rollstuhlfahrern auf Behindertentoiletten die Hände reichen können, bekräftigt „Makellos“ allein durch seinen Helden Walt Koontz (Robert De Niro) – siegreich, nicht nur in Vietnam, kauzig und herrisch.

Koontz’ Kampf gegen zwei Bankräuber hat ihn in New Yorks Lower East zum Nachbarschaftsheroen gemacht. Seit einem Schlaganfall hockt das einstige Alpha-Männchen zu Hause und knabbert am Leben. Nebenan, im schmuddeligen „El Palacio“-Hotel, gehen ihm die Drag Queens mit ihrem Geträller und Gekreische auf die Nerven. Und wenn Tunte Rusty (Philip Seymour Hoffman) ihre Gesangsstunden abhält, sieht der ausgediente Wachmann so aus, als denke er über einen Abendkurs in Eugenik nach. Doch Joel Schumacher ist ein guter Mann, Koontz muss es noch werden, und so zwingt ihn das Drehbuch dazu, Sprech- und Gesangsunterricht bei ebendiesem Rusty zu nehmen, um nach dem Schlaganfall sein Sprachvermögen wiederherzustellen.

Robert De Niro, der für ausgiebiges Method-Acting etliche Reha-Zentren inspizierte, sich für die schwere Gangart der Patienten eigens Bleischuhe und für die Gesichtlähmung unterschiedliche Mundstücke basteln ließ, versteckt sich hinter seiner üblichen Larger-than-Life-Performance, um mit dem Rest der Klamotte möglichst wenig zu tun zu haben. In schluckaufartigen Wiederholungen stößt er als Walt Koontz ein „fuckin’ faggot“ von der schiefen Lippe, während Rusty sämtliche Finger abspreizt, den Fummel energisch zurechtzupft und mit Kopfstimme Walt ankeift: „Ich werde mehr Frau sein, als du jemals bekommen wirst, und mehr Mann, als du noch bist.“

Der gesunde Menschenverstand hat dann tatsächlich das letzte Wort: Das Geld für eine Geschlechtsumwandlung, dass er sich als Musiklehrer zusammenklimpert, bietet Rusty am Ende freimütig dem zur Menschlichkeit bekehrten Walt für eine kostenintensivere Krankenbetreuung an. Wer braucht schon einen weiblichen Körper, wenn er stattdessen einem Buddy helfen kann? Und wer braucht da draußen in der Welt noch eine Mutter, wenn er jemanden wie Rusty an seiner Seite weiß?

Um zu demonstrieren, wie tief und wie genau man in soziale Abgründe geblickt hat, ahmt der Film geflissentlich die fotografische Ästhetik von Nan Goldin nach. Speckig glänzende Flure, verschmierte Gesichter vor verschimmelter Tapete. Hier eine gestrandete Seele mit offener Hose und wirrem Haar, da ein Stricher im zerfetzten Doppelripp. Dreck und Krankheit sind nur eine Frage der Belichtung.

Bis zum Schluss bleibt „Makellos“ eine filmische Aktion Sorgenkind, die nicht nur den Protektionismus der Übermenschen und der Gesundheitslobby walten lässt, sondern vor allem den Kopierten selbst eins mitgibt: den Frauen.

Weibliches kommt hier bloß als Verkleidung vor, als parodierte Pose und dämliche Koketterie. Ein Karneval der Fummelwesen, die sich mit Nagelfeilen und High Heels gegen Einbrecher und Drogenhändler wehren. Von der korrupten Schlampe und dem artigen Aschenputtel aus Koontz’ Tango-Club einmal abgesehen, bleibt „Makellos“ ein frauenloser Kosmos, der in seinem betulichen Bemühen um die Drag Queens und die Gay Community eine Männer-Umkleidekabine abzäunt, die sich ganz und gar selbst genügt. Wer zu diesem homophoben Zirkel nicht dazugehört, ist so geboren. Der muss wohl irgendetwas im Hals haben.

„Makellos“. Regie: Joel Schumacher. Mit Robert De Niro, Philip Seymour Hoffman, Barry Miller u. a. USA 1999, 110 Min.