: Johannes Paul geht ins Gefängnis
Italiens Häftlinge und der Vatikan fordern seit langem eine Reform des Strafvollzuges, um die Haftbedingungen zu verbessern. Am Wochenende unterstützte Johannes Paul die Forderungen bei einer Messe im Gefängnis
ROM taz ■ Hoffnung wecke schon der Name des Gefängnisses im Zentrum Roms, meinte gestern der Papst während der Messe vor Häftlingen und Wärtern: Regina Coeli, Himmelskönigin heißt der im letzten Jahrhundert errichtete Bau. Mit dieser Bemerkung allerdings liegt Johannes Paul ziemlich schief; ein Ort der Hoffnungslosigkeit ist der unwirtliche Kasten mit dem wohlklingenden Namen, in dem sich knapp 1.000 Insassen 450 Haftplätze teilen müssen.
Enorme Hoffnungen allerdings knüpften die Zwangsgäste von Regina Coeli an den Besuch des Heiligen Vaters, der gekommen war, um mit ihnen das „Heilige Jahr der Gefangenen“ zu feiern. Und der Papst enttäuschte sie nicht. Natürlich redete er den Straftätern kräftig ins Gewissen, forderte „Umkehr und Buße“. Doch auf dem Fuß folgte der Appell an die Politiker, zu einem „Gnadenakt in Form eines Strafnachlasses“ zu schreiten.
Ähnliche Appelle hatte der Vatikan schon in den letzten Monaten mehrfach lanciert, und gerade in Italien hatten sie erhebliche Wirkung. In den Justizvollzugsanstalten des ganzen Landes formierte sich eine breite Amnestiebewegung, die Ende Juni in ebenso lautstarken wie gewaltfreien Protesten gipfelte. Nur eine umfassende Amnestie – so die Position der Gefangenen – könne die katastrophalen Haftbedingungen in den überbelegten Gefängnissen mildern.
Positive Aufnahme fanden die Papstworte bei Italiens Justizminister Piero Fassino, der in seinem Grußwort während der Zeremonie wissen ließ, die Regierungskoalition sei zu entsprechenden Schritten bereit. Pünktlich zum Papstbesuch im Knast verabschiedete das Kabinett am Freitag ein umfassendes „Maßnahmenpaket Justiz“. 2,5 Milliarden Mark sollen in den nächsten Jahren für Renovierung und Neubau von Gefängnissen, für die Neueinstellung von 1.500 Wärtern und 2.000 Sozialarbeitern ausgegeben werden. Zudem plant die Regierung, ausländische Straftäter (sie stellen mittlerweile 30 Prozent der Häftlinge) mit Strafen von weniger als drei Jahren umgehend auszuweisen und so die Gefängnisse zu leeren. Und schließlich will die Koalition in den nächsten Wochen das Gesetz über einen Strafnachlass im Parlament zur Debatte stellen.
Doch gerade aus diesem Gesetz, das einer Zwei-Drittel-Mehrheit bedarf, dürfte nichts werden. Die sonst so papsttreue Rechtsopposition verweigert jeden Kompromiss und wirft der Regierung vor, mit ihrem Vorhaben „den Papst in vulgärer Weise zu instrumentalisieren“ (so Giuseppe Pisanu, Fraktionschef von Forza Italia in der Abgeordnetenkammer). Vielen in der Regierungskoalition kommt dieser Widerstand allerdings insgeheim gelegen, denn auch in den Mitte-Links-Parteien ist die Neigung groß, den Law-and-Order-Stimmungen in der Bevölkerung nachzukommen – mit dem bizarren Resultat, dass die Regierung einerseits den „Gnadenakt“ will, andererseits aber vorhat, die Haftstrafen für viele Delikte drastisch zu verschärfen.
MICHAEL BRAUN
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