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Diesmal keine Jubelperser

Weil der iranische Präsident in der Stadt ist, ging in der City nichts mehr. Anders als beim Schah-Besuch 1967 blieben die Demonstrationen friedlich. Im Vorfeld Durchsuchungen. 50 Festnahmen

von PHILIPP GESSLER

Der umstrittene Staatsgast weilt noch heute und morgen in der Hauptstadt – doch zumindest bis gestern Abend blieben alle Demonstrationen gegen den iranischen Staatspräsidenten Mohammad Chatami friedlich. Die befürchteten Ausschreitungen blieben aus. Dafür war in der Innenstadt „verkehrsmäßig so gut wie alles zu“, sagte ein Polizeisprecher. Zwar bewegt sich Chatami aus Sicherheitsgründen innerhalb der Stadt fast ausschließlich mit dem Hubschrauber. Aber vor allem die langen Fahrzeugkolonnen seiner Entourage führten zu Staus, erklärte der Sprecher – „und morgen wird das auch nicht anders“.

Zum Schutz des Staatschefs der Islamischen Republik hatte die Polizei die Sicherheitsstufe 1 ausgerufen. Knapp 4.000 Beamte waren im Einsatz – unter ihnen auch Einsatzkräfte aus anderen Bundesländern und des Bundesgrenzschutzes. Mehrere Demonstrationen in der City – angemeldet waren 13 – blockierten die Innenstadt. „Zwischen dem Alex und dem Brandenburger Tor läuft überhaupt nichts mehr“, hieß es bei der Polizei.

Für heute hat die Jüdische Gemeinde zu einer Kundgebung für zehn Juden und zwei Moslems aufgerufen, die im Iran in einer Justizfarce wegen angeblicher Spionage zu langjährigen Gefängnisstrafen verurteilt wurden. Gemeindechef Andreas Nachama bezeichnet den Staatsbesuch schon jetzt als „Quatsch“.

Die größte Demonstration des gestrigen Tages fand auf dem Pariser Platz statt. Etwa 7.000 Demonstranten versammelten sich, um gegen das Mullah-Regime zu protestieren. Geprägt war die Demo vom „Nationalen Widerstandsrat Iran“. Er gilt als politischer Arm der als militant und extremistisch eingestuften „Volksmudschaheddin“.

Auf den Demonstrationen entzog die Polizei 30 Personen vorübergehend die Freiheit. Ihnen wurde unter anderem die Beleidigung des Gastes vorgeworfen. Am Schlossplatz flogen ein paar Eier in Richtung Polizei. In der Nacht zum Montag waren bereits Wohnungen von Exil-Iranern durchsucht worden. Die Berliner Polizei hatte auch rund 50 Personen festgenommen. Die Behörden hatten den Verdacht, dass dies Rädelsführer unfriedlicher Taten sein könnten. An den Grenzen zur Bundesrepublik waren zudem Iraner abgewiesen worden. Die Polizei befürchtete Störungen durch sie. Auch morgen werden wieder Demonstrationen gegen Chatami erwartet.

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