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Sozialwohnungen für Wohlhabende

Fehlbelegungsabgabe soll weg, um Problemviertel zu stützen  ■ Von Gernot Knödler

Wer in einer Sozialwohnung lebt und zuviel verdient, soll spätestens im Jahr 2004 keine Fehlbelegungsabgabe mehr zahlen. SPD und GAL werden heute in der Bürgerschaft beantragen, den Mietzuschlag in den Jahren 2001 bis 2003 jeweils um 25 Prozent zu verringern und ihn danach ganz abzuschaffen. Wie SPD-Fraktionschef Holger Chris-tier (SPD) und Martin Schmidt von der GAL sagten, soll damit die soziale Struktur in Problem-Stadtteilen stabilisiert werden.

Schon seit Jahren war über den Sinn der Fehlbelegungsabgabe diskutiert worden. Sie wurde angesichts der Wohnungsnot 1990 eingeführt, um Sozialwohnungen für Bedürftige freizuhalten. Mit den Jahren wurde es leichter, eine Wohnung zu finden, weshalb immer mehr gut verdienende Leute aus Problem-Stadtteilen wegzogen. Die Viertel verarmten, verdreckten, es kam zu Vandalismus.

Durch die Streichung des Mieter-Ärgernisses „Fehlbelegungsabgabe“ soll dieser Entwicklung entgegen gewirkt werden. „Die Abschaffung der Fehlbelegungsabgabe unterstützt die Politik der sozialen Stadtentwicklung“, sagt Martin Schmidt. „Die Quartiere brauchen eine Mischung von Bewohnern unterschiedlichen Einkommens“, betont Christier.

Wer die Einkommensgrenze überschritt, hatte bisher gestaffelte Zuschläge zu bezahlen: Bei 40-prozentiger Überschreitung zum Beispiel eine Mark mehr pro Quadratmeter, bei 100prozentiger Überschreitung fünf Mark mehr. 1998 begrenzten SPD und GAL die Miete inklusive Zuschlag auf den Mittelwert des Mietenspiegels.

Durch den stufenweisen Verzicht auf die Abgabe wird die Stadt in den kommenden vier Jahren insgesamt 60 Millionen Mark an Einnahmen einbüßen. Danach werden es jährlich gut 30 Millionen Mark sein, die Christier dadurch auszugleichen hofft, dass weniger für die Soziale Stadtteilentwicklung ausgegeben werden muss.

Mit der Neuregelung schließt die Koalition Schmidt zufolge eine Gerechtigkeitslücke: Denn schon heute ist die Abgabe in einzelnen Vierteln aufgehoben, womit allerdings auch die Belegungsbindung habe aufgehoben werden müssen. Die jetzt gefundene Lösung beseitigt diesen Webfehler.

Bei der Opposition stieß das Vorhaben der Koaliton gestern grundsätzlich auf Zustimmung. CDU-Fraktionschef Ole von Beust würde die Abgabe aber am liebsten sofort ganz abschaffen. Für Regenbogen-Abgeordnete Susanne Uhl ist das Aus für die Fehlbelegungsabgabe „ein Schritt auf dem Weg zu der Erkenntnis, dass die Mieten im Sozialen Wohnungsbau schlicht zu hoch sind“. Die Abschaffung der Abgabe dürfe nicht zu Lasten des Sozialen Wohnungsneubaus gehen.

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