Filmstarts à la carte
: Hysterische Hexen

■ In der „Magical History Tour“, der Filmgeschichtsreihe des Arsenal-Kinos, ist die Reihe nunmehr an die Klassiker des schwedischen Stummfilms gekommen. Die Auswahl läßt allerdings leicht den Eindruck entstehen, die Skandinavier hätten nie etwas anderes verfilmt als die Romane von Selma Lagerlöf: So setzte Mauritz Stiller nach „Herr Arnes Schatz“ (1919) auch die breit angelegte „Gösta Berlings Saga“ (1924) in Szene, ein Drama um die Irrungen eines ehemaligen Pfarrers (Lars Hanson), der dem leichten Leben nicht unbedingt abgeneigt ist. Neben einer faszinierenden Schlittenfahrt über einen zugefrorenen See auf der Flucht vor Wölfen bietet „Gösta Berling“ als weitere Hauptattraktion den ersten großen Auftritt der noch sehr jungen und wunderschönen Greta Garbo als Gräfin Elisabeth. Ebenfalls nach Selma Lagerlöf entstand „Der Fuhrmann des Todes“ (1921) von Victor Sjöström, der auch gleich noch die Hauptrolle des haltlosen Trinkers übernahm, der als letzter Verstorbener des alten Jahres die Seelen der Toten abtransportieren muss und dabei entdeckt (ehe sich alles als Traum erweist), wie sehr die ihn liebenden Menschen an seiner zynischen Art gelitten haben. Sowohl die komplexe Erzählstruktur des Films als auch die Trickfotografie von Julius Jaenzon durften seinerzeit als wegweisend gelten. Ganz ohne Lagerlöf kam hingegen der aus Dänemark stammende Schauspieler und Regisseur Benjamin Christensen aus, der mit „Hexen“ (1921) einen der interessantesten Filme jener Epoche schuf. „Hexen“ präsentiert in einer seltsamen Mischung aus Dokumentation, Spielszenen und spekulativem Horror den Hexenwahn des Mittelalters und zieht Vergleiche zu Krankheitsbildern wie Hysterie und Zwangshandlungen. Zudem arbeitet Christensen heraus, wie in einer religiös- patriarchalisch geprägten Gesellschaft stets die Frauen - waren sie nun alt und häßlich oder auch jung und schön - an allem schuld waren. Gleichrangig neben Christensens rationalistisch- aufklärerischem Impetus steht allerdings die Gabe des Regisseurs die ganz und gar erschröcklichen Dinge aus finsteren Zeiten in publikumswirksame Bilder umzusetzten: Da rupfen die Hexen dann menschliche Kadaver auseinander, brauen Tränke aus Kröten und ungeborenen Kinderleichen, reiten auf Besenstielen zur Walpurgisnacht und küssen Satan bei ihren diversen teuflischen Festivitäten den Hintern. Aber auch die Inquisition mit ihren Folterkellern und - werkzeugen, deren praktische Anwendung ausführlich demonstriert wird, kommt nicht zu kurz. So verwundert es auch nicht, dass Christensen Mitte der zwanziger Jahre ein Angebot aus Hollywood erhielt, wo er vornehmlich Horrorfilme und -komödien mit Titeln wie „House of Horror“ und „Seven Footprints to Satan“ inszenierte.

„Herr Arnes Schatz“ 14.7., „Gösta Berlings Saga“ 15.7., „Der Fuhrmann des Todes“ 13.7., „Hexen“ 17.7. im Arsenal 2

■ In jene fernen Tage als Farbe im Film noch Luxus repräsentierte, führt uns die Produktion „Sindbad, der Seefahrer“ (1947) von Richard Wallace. Als einer der ersten Farbfilme von RKO präsentiert das Technicolor-Abenteuer nicht nur ausführlich die schönen roten Haare von Maureen O‘Hara, sondern auch die ganze verschwenderische Pracht des amüsanten Studio- Orients mit bunten Kostümen (viel Gold und Purpur) und aufwändigen Dekorationen. Als draufgängerischer Hauptdarsteller brilliert Douglas Fairbanks jr., der auf seiner Suche nach dem Goldschatz von Alexander dem Großen im Habitus stark an seinen Vater, den berühmten Abenteuerstar der Stummfilmära, erinnert.

„Sindbad, der Seefahrer“ 15.7.-16.7. im Arsenal 1

Lars Penning