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Bremen Brave New World

■ So ist das wenn man Computerspiele nicht kennt, virtuellen Wesen aber verdammt ähnlich sieht. Man wird entdeckt: Um dem Compo-Girl „Menschlickkeit“ einzuhauchen

Das hat was von Märchen. Von Zukunftsmärchen. Von Huxleys schöner Neue Welt. Da wird frau entdeckt. Von Bremens Straßen weg. Wegen gewisser Ähnlichkeiten zu bekannten Wesen. Keinem Menschen etwa, das hätte noch ins letzte Jahrhundert gepasst. Sondern einem Computerwesen. April Ryan, heißt die virutelle Gestalt. Für die Katja Koopman die Promotion übernahm.

Einzige Vorraussetzung für das Double: Ähnlichkeit. Ein Computerspiel hatte die 23-Jährige bis dato noch nie gespielt. Ein Freund war es, der meinte, sie würde der Hauptfigur des neuen Adventures „The Longest Journey“ verdammt ähnlich sehen. Er war es, der bei der Agentur fürs Casting anrief. Denn die suchten jemanden, der April Ryan „ein bisschen was Menschliches einhauchte“, erklärt Katja. So etwas wie einen menschlichen Vorzeige-Vertreter auf Erden für die versammelte Computerpresse .

„Die sieht mir ähnlich. Ich seh ihr ähnlich“, meint Katja/April: „Das Gesicht: Ja. Die Figur: OK.“ Der Rest wurde angepasst. Vor allem die Haare. Abgeschnitten. Schade, fand Katja. „Aber die Haare machen enorm was aus.“

Aber wie ist das, als menschliche Copy der Bit-&-Bite-Figur zu leben? Aus Katja sprudelt es, quirlig, lebhaft: „Ich hab mir nicht viel Gedanken drum gemacht. War halt witzig. Was neues. Mal schaun.“ Orwell oder schöne neue Welt: Nix davon. „Es muss doch was dazwischen geben.“ Das ist wie mit der komplizierten neuen Technik: „Da muss man mit leben, das beste draus machen. Wir leben halt jetzt, nicht 1754.“

Spaß hat April Ryan auf jeden Fall gemacht. Geld hat es auch gebracht. Einen Urlaub. In den Katja nicht fährt, sondern den Verdienst lieber gleich ausgibt. Und E-Mails, immer wieder. Von ein paar Verehrern. Die statt Britney Spears eben April Ryan mögen.

Dabei war die Wirklichkeit der Computergestalt eher Zufall. Unter allen Umständen hätte sie das nicht machen wollen. Für eine Lara Croft-Imitation hätte sie sich nicht hergegeben. „Ich wollte wisse, was da für eine Kleiderordnung ist: Ob ich im BH und Slip auftreten muss. Da hätte ich kein Bock drauf gehabt.“ Und dann noch mehr: Das Spiel testen. „Auf Ballerspiele hätte ich keine Lust gehabt.“ Und endlich. Die Computer-Figur kennenlernen, die es zu verkörpern gilt. „Wissen, ob mir das überhaupt gefällt, worauf ich mich einlasse.“

Ergebnis: Positiv. „Ich fand den Charakter der Figur richtig gut.“ Das Tolpatschige. So ist sie auch ein bisschen, die echte Katja. Die sich auch mit Kunst befasst, wie April das macht. Und Aprils Haltung mochte sie, dieses: „Ich muss die Welt retten, aber kann das nicht auch jemand anders machen.“ Schließlich die Dialoge – witzig, flippig. „Erst dann habe ich die Zustimmung gegeben.“

April Ryan, „eigentlich ein ganz normales Mädchen – wie ich es sein könnte.“ Das sich dann aber doch (der Knaller kommt zum Schluss) als Tochter eines Drachens entpuppt. Das ist Katja nicht. Pah. Und Aprils Welt ist weit weg, „geträumt habe ich nicht davon.“

Die Zeit ist inzwischen wirklich vorbei. Ein halbes Jahr Promo-Tour. Viel reisen. Viel unterwegs sein. Jetzt ist wieder mehr Bremen angesagt. Ab Oktober mehr Studium. Psychologie. Sonst? Sonst habe sich eigentlich gar nichts verändert. Und das Spiel? „Ich hab das Spiel sehr gern gespielt – mein erstes Computerspiel“. Letztens hat sie mal wieder reingeguckt. Aber sonst ist die Adventure-Welt ziemlich abgehakt. „Ich kenn ja die Lösung.“ Für Katja gab es das Probe-Abenteuer damals als Komplettlösung – „sonst wäre ich wahrscheinlich heut noch nicht fertig“.

April ist endgültig weg aus dem reelen Leben. Die Haare lässt sich Katja wieder wachsen. Nicht wegen der April-Ähnlichkeit, die jetzt aufhören muss. „Nein, das wär so nicht richtig. Mir gefallen die langen Haare besser.“ pipe

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