: „Ich sehe darin Schuld“
betr.: „Mobilisierung gegen ‚Homo-Ehe‘“, taz vom 7. 7. 00
Die EKD hat Pläne der Bundesregierung kritisiert, welche die rechtliche Stellung von gleichgeschlechtlich liebenden Paaren verbessern will. Mit diesen Äußerungen werden die Personen unserer Kirche ausgegrenzt, die eine Abwertung homosexueller Lebensformen bewusst ablehnen.
Die Bewertung gleichgeschlechtlicher Sexualität ist theologisch umstritten; die Stellungnahme der EKD ignoriert diesen Umstand einfach und erweckt den Anschein, als ob die theologische Auseinandersetzung diesbezüglich gar nicht existiere. Deshalb einige strittige Punkte der laufenden Diskussion zur Erinnerung:
Im Gegensatz zu der vehementen Apologie der bürgerlichen Familie seitens der EKD hatte Jesus eine weitaus distanziertere und kritischere Bewertung dieser Institution (Lk. 8/19-21). Schon der Bibel sind weitaus mehr Formen des Zusammenlebens und der Ehegestaltung bekannt als die bei uns favorisierte auf Lebenszeit orientierte und vom Standesamt autorisierte heterosexuelle Monogamie (Polygamie – 1. Mose 29; 2. Samuel 3; Leviratsehe – 1. Mose 38; Buch Ruth; Vasallenehe – 1. Samuel 18; demonstrative Verbindungen – Hosea 1).
Wer Homosexualität mit Berufung auf biblische Schriften ablehnt, muss dann auch begründen, wie er zu Völkermord (1. Samuel 15), heiligen Kriegen (Buch der Richter), religiösem Fanatismus (1. Könige 18), Sklaverei (Epheser 6/5-8; 1. Timotheus 6/1-2), Frauendiskriminierung (Kolosser 3/18; Epheser 5/22-4) und Antijudaismus (Johannes 8/37-45; Matthäus 27/25) steht. Desweiteren müsste geklärt werden, wie wir mit Blutwurstessern (Apostergeschichte 15/28-29), Gottesdienstkopfbedeckungen (1. Korinther 11) und redenden Frauen (1. Korinther 14/34-35) in der Gemeinde umgehen wollen.
[...] Die Verbesserung der rechtlichen Situation homosexuell liebender Partnerschaften ist ein ausdrücklicher Wunsch von homosexuell liebenden Menschen. Keine einzige heterosexuelle Ehe wird von der Realisierung dieses Wunsches beeinträchtigt oder in anderer Weise berührt. Erwachsenen Menschen die Entscheidung zu verwehren, die Form ihres Zusammenlebens zu bestimmen (was praktisch die aktuelle Situation für homosexuell Liebende ist), stellt natürlich eine Diskriminierung für die Betroffenen dar. Ich halte es sogar für schlimmer: ich sehe darin Schuld.
MICHAEL KLEIM, evangelischer Theologe, Gera
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