: Israels Rechte macht mobil
150.000 Menschen demonstrieren gegen Kompromisse bei den Friedensverhandlungen in Camp David. Die Veranstalter vermeiden persönliche Angriffe gegen Ministerpräsident Ehud Barak
aus Jerusalem SUSANNE KNAUL
In hunderten von Bussen sind jüdische Siedler am Sonntag nach Tel Aviv gekommen, um gegen Kompromisse bei den Nahost-Friedensverhandlungen in Camp David zu demonstrieren. Der Jitzhak-Rabin-Platz vor dem Rathaus, wo gewöhnlich die Linken und Friedensbewegten ihre Kundgebungen abhalten, füllte sich am Abend mit rund 150.000 Demonstranten, von denen die meisten Männer eine Kipa, die traditionelle jüdische Kopfbedeckung, trugen. Die blau-weiße israelische Fahne und Parteiflaggen des oppositionellen Likud bis zur rechtsnationalen Partei Moledet bestimmten das Bild vor dem Rathaus.
„Wir sind die Mehrheit“ und „Barak verliert den Staat“, stand auf den während der Demonstration verteilten Plakaten und Aufklebern. Auf ausdrücklichen Wunsch der Siedler vom Golan verzichteten die Veranstalter jedoch auf die Namensnennung des israelischen Ministerpräsidenten und brachten auf der Bühne ein Plakat an, auf dem es hieß: „Man verliert den Staat“.
Die „Demonstration aller Demonstrationen“, so die Veranstalter, verlief deutlich gemäßigter als andere rechte Kundgebungen, bei denen Barak jüngst als „PLO-Agent“ und „Verräter“ beschimpft wurde. In Erinnerung an Jitzhak Rabin, der vor fünf Jahren am gleichen Ort erschossen worden war, bemühten sich die Demonstranten, von jeglicher Hetze abzusehen. Die Ansprachen blieben zwar unmissverständlich in ihrer politischen Aussage, dennoch richteten sich die meisten Redner fast versöhnlich direkt an den Premierminister: „Komm zurück“, appellierte Likud-Chef Ariel Scharon an Barak. „Zusammen werden wir Frieden machen, einen besseren und einen sichereren, einen Frieden für Generationen.“
Zwischen Ariel Scharon und Ehud Olmert, dem Bürgermeister von Jerusalem, war vor der Veranstaltung ein Streit über den Zeitpunkt der jeweiligen Ansprachen entstanden. Tatsächlich schaffte es Olmert, die Bühne zur Sendezeit der beiden wichtigsten israelischen Nachrichtensendungen einzunehmen, während Scharon erst zwei Minuten vor Sendeschluss ans Mikrofon kam. Olmert hat Ambitionen, Scharon bei den Likud-Primaries als Parteichef abzulösen.
„Ich gebe zu, mich geirrt zu haben“, erklärte Olmert. „Ich habe Barak vertraut und geglaubt, das er Jerusalem nicht teilen wird.“ Der besorgte Bürgermeister erinnerte den Premierminister an seine Versprechen in Bezug auf die „Hauptstadt des Volkes Israel und des Staates Israel“. Barak stehe nun vor der wichtigsten Aufgabe in seinem Leben, so Olmert.
An der Jerusalemfrage scheiden sich in Israel die Geister. Während jüngsten Umfragen zufolge die Mehrheit auf einen Erfolg in Camp David und eine endgültige Friedensregelung hofft, sind 60 Prozent gegen jegliche palästinensische Souveränität in Jerusalem.
Der jüngste Redner des Abends, ein achtjähriger Junge aus der Siedlung Gusch Katif im Gazastreifen, machte auf die Trainingslager der größten Palästinenserpartei Fatah aufmerksam, in denen derzeit tausende palästinensische Kinder und Jugendliche im Nahkampf trainiert werden. „Wir fahren in die Sommerlager, um einfach nur Spaß zu haben, und die palästinensischen Kinder üben das Schießen.“
Auch in Gaza wurde der Appell an PLO-Chef Jassir Arafat laut, den Gipfel zu verlassen. „Arafat soll zurückkommen und den bewaffneten Kampf wieder aufnehmen“, erklärte der geistige Führer der Hamas, Scheich Achmad Jassin. Dessen ungeachtet fanden Anfang der Woche zwei palästinensische Demonstrationen statt, die den Gipfel guthießen. Auf israelischer Seite wird derzeit über eine Pro-Camp-David-Demonstration beraten, wobei der Termin erst festgelegt werden soll, wenn das Ergebnis des Gipfels klar ist.
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