: Der schnelle Mann von Robobank
Erik Dekker hat schon drei Tour-Etappen gewonnen, gestern in Freiburg siegte allerdings der Italiener Commesso
BERLIN taz ■ Manchmal kommt der Zeitpunkt, wo Radrennfahrer das Gefühl beschleicht, die Beine mutieren zu Ambossen. Dann drängt sich meist auch die Erkenntnis auf, die leichtfüßige Strampelei der Kollegen gründe auf das Werk unerklärlicher Mächte. Marcel Wüst ist es so ergangen. Die Kräfte des Sprinters erlahmten spätestens am Mont Ventoux. Die Erik Dekkers überdauerten das Martyrium. Fast scheint es, als potenzierten sie sich von Tag zu Tag, auch wenn der Niederländer gestern auf der 18. Etappe nach Freiburg, die der Italiener Salvatore Commesso im Sprint einer Ausreißergruppe gegen Telekom-Fahrer Winokurow gewann, eine Auszeit nahm und keine Rolle spielte.
Wüst jedenfalls wunderte sich über den nimmermüden Tritt und nicht nachlassenden Angriffsmut von Dekker, der zwei Etappensiege einfuhr und noch einmal in Lausanne gewinnen sollte, am Mittwoch auf dem 17. Abschnitt der Tour. In seinem Rundfahrttagebuch schrieb der Kölner deshalb, der Niederländer sei wohl beim Team Robobank, nicht Rabobank beschäftigt. Robo wie Roboter. Maschinenmenschen.
Rabobank hatte die Erfolge auf der Tour bitter nötig. Im Frühjahr gelang der holländischen Mannschaft nämlich wenig. Bei den Klassikern, auf die sich das Team spezialisiert hat, fuhr man hinterher. Ebenso wie Michel Boogerd dem Gelben Trikot in der Tour. Eigentlich wollte der Mannschaftskapitän in der illustren Gesellschaft von Armstrong und Ullrich die Berge hochfahren.
Der 29-jährige Dekker war schon bei Olympia 1992 in Barcelona Zweiter im Straßenrennen hinter dem Italiener Fabio Casartelli, der 1995 bei der Tour zu Tode stürzte. 21 Siege errang Dekker in seiner acht Jahre dauernden Profikarriere. Er gewann 1999 den Grand Prix Eddy Merckx, und eine Geschichte vom erhöhten Hämatokritwert gibt es auch über ihn zu erzählen. Bei der WM 1999 in Verona wurde er gesperrt, weil er den kritischen Wert von 50 überschritten hatte. Doch ihm gelang wie dem Spanier Otxoa der Nachweis, dass die Häufung roter Blutkörperchen bei ihm genetisch bedingt ist.
Dekker hat vor allem deswegen überzeugt, weil er sowohl vor den Bergen als auch danach noch in hervorragender Form war. Auch schwankende Temperaturen haben den 66 Kilogramm schweren und 1,82 Meter großen Radfahrer nicht davon abhalten können, immer wieder in der richtigen Ausreißergruppe dabei zu sein. Anzumerken bleibt: Erik Dekker ist aus Fleisch und Blut. Nur sein Gespür für den richtigen Moment ist übermenschlich. Robomäßig.
MARKUS VÖLKER
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