: Wer mit dem Teufel kämpft
SPD-Landesvorsitzende ist Ute Vogt bereits 1999 geworden. Jetzt will die 35-Jährige die baden-württembergische SPD gegen Ministerpräsident Teufel (CDU) führen. Dafür muss sie am Sonntag die Urwahl gewinnen – gegen starke Konkurrenz
aus Stuttgart HEIDE PLATEN
Zu jung, zu unerfahren, hatte es parteiintern noch vor zwei Jahren über die eine geheißen, zu farblos über den anderen. Die 35-jährige Rechtsanwältin und Bundestagsabgeordnete Ute Vogt und der Esslinger Siegmar Mosdorf (48), Staatssekretär im Berliner Bundeswirtschaftsministerium, sind nun zwei Wochen lang gemeinsam auf der Suche nach der SPD-Basis durch die Säle Baden-Württembergs getingelt. Am Sonntag sollen die Mitglieder der 971 Ortsverbände an die Urnen gehen und entscheiden, wer von den beiden ihr Spitzenkandidat sein soll für die Landtagswahl im März 2001.
Die Basis freute sich jedenfalls, bei dieser ersten Urabstimmung der Landespartei endlich mal mitbestimmen zu können. Das war in den letzten Wochen ein Motivationsschub für die desolate Sozialdemokratie im Ländle, egal ob Vogt oder ihr Gegenkandidat obsiegen wird. Viermal waren die Säle bei den Vorstellungsrunden der Kandidaten rappelvoll. Umfragen sehen Vogt vorn. Sie sei sympathischer und bekannter. Parteiintern ist von einem Kopf-an-Kopf-Rennen die Rede.
Auf den Podien herrschte Friede, Freude, Eierkuchen zwischen den beiden Konkurrenten. Denn da treten zwei gegeneinander an, die immer wieder betonen, dass sie sich sehr mögen und auf einer Linie liegen. Siegmar Mosdorf gilt als erfahrener Mann der Mitte. Anhänger von Vogt, die mit 20 Jahren als linke Jungsozialistin in die Partei eintrat, loben sie als junge Hoffnungsträgerin, ehrlich, offen, erfrischend, ihre Gegnern halten sie für eine Dünnbrettbohrerin. Beiden wird nachgesagt, Schützlinge des Landtagsfraktionsvorsitzenden Ulrich Maurer zu sein. Und beiden wird angelastet, dass sie mit doppeltem Netz kandidieren, weil sie nicht in der Landespolitik verankert sind und bei einer Niederlage nicht etwa die harte Stuttgarter Oppositionsbank drücken müssen, sondern ihre sicheren Berliner Posten behalten können.
Die Nerven der SPD im Südwesten sind wund gerieben: Da war die herbe Wahlniederlage von 1996 mit nur 25,1 Prozent, der Mitgliederschwund von 68.000 auf knapp 51.000 und nicht zuletzt nicht enden wollendes Personalgerangel.
Die Parteispitze begann schon Anfang 1999, die Namen möglicher Spitzenkandidaten unters Volk zu streuen. Die Debatte war ausgerechnet von dem selbst ambitionierten Generalsekretär Wolfgang Drexler (53) inszeniert worden und richtete sich deutlich gegen den eigenen Partei- und Landtagsfraktionsvorsitzenden Ulrich Maurer. Drexler löste eine wilde Namensorgie aus: Neben lokalen Kandidaten wurde die gesamte Bonner Riege bis zu Bundesarbeitsminister Walter Riester und Justizministerin Herta Däubler-Gmelin (Tübingen) genannt. Die Basis war gründlich verärgert.
Maurer, wegen des Wahldesasters und seines autoritären Führungsstils allzu oft heftig kritisiert, gab kurz nach dem heftigen Streit seine Ambitionen als Herausforderer von Ministerpräsident Erwin Teufel (CDU) auf. Nach zwölf Jahren Amtszeit stellte er auch gleich seinen Posten als Parteivorsitzender zur Disposition. Sein angeschlagenes Image erklärte Maurer mit den parteiinternen Querelen. Man sehe eben nicht besonders gut aus, sagte er zu seinem Rücktritt, wenn einem vorher „20 Messer ins Gesicht geflogen“ seien. Er schlug Ute Vogt gegen Drexler als seine Nachfolgerin vor. Auch ihr heutiger Konkurrent Mosdorf votierte für sie.
Wenig später hatte er es sich anders überlegt: Unvermutet meldete Mosdorf ebenfalls sein Interesse am vakanten Parteivorsitz an. Gemeinsam mit Drexler wollte er nun gegen Vogt kandidieren. Die aber entschied sich spontan zur Vorwärtsverteidigung. Das „naive Mädle“, der ihre Gegner Format und Erfahrung absprachen, stahl beiden mit einer ebenso überraschenden wie vehementen Bewerbungsrede vor den Kreisvorsitzenden die Schau. Sie sei es gewohnt, „mit offenem Visier zu kämpfen“, und denke nicht daran, Opfer parteiinterner Taktiererei zu werden. Mosdorf zog zurück. Im Juli 1999 obsiegte die junge Juristin als neue Parteivorsitzende.
Die Bekanntgabe der Spitzenkandidaten für die Landesliste vertagte die Partei damals erst einmal auf den Sommer 2000. Längst war klar, dass außer Mosdorf keiner der vollmundig genannten Kandidaten aus der Berliner Regierungsriege je ernsthaft dafür zur Verfügung gestanden hätte. Vogt überraschte nun ihrerseits mit ihrer Gegenkandidatur. Sie ging mit jenem Selbstbewusstsein ins Rennen, mit dem sie gegen alle Prognosen ihr Direktmandat in Pforzheim, den Landesvorsitz und in Berlin den Vorsitz in der Männerdomäne Innenausschuss erstritt.
Im Falle ihrer Wahl setzt sie auf das größere Risiko. Sie lege keinen Wert auf einen sicheren Listenplatz im Wahlkreis Stuttgart-Cannstadt, sondern wolle sich den Wählern in ihrem CDU-dominierten Heimatort Pforzheim stellen. Mosdorf kann für sich verbuchen, dass sich inzwischen 13 SPD-Bürgermeister für seine Nominierung ausgesprochen haben. All die sozialdemokratische Aufregung aber dürfte auch 2001 wieder einmal umsonst gewesen sein. Umfragen sehen die CDU-FDP-Koalition unter Erwin Teufel mit derzeit 54 Prozent vorn.
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